JUDITH MACKRELL: FRAUEN AN DER
FRONT
Kriegsberichterstatter war schon immer ein extrem heißer Job und die Todesrate ist auch
heute noch hoch. Dass aber nicht nur Männer in Text und Bild von der Front berichteten,
ist viel zu wenig bekannt.
Um so spannender liest sich Judith Mackrells Sachbuch Frauen an der Front-
Kriegsreporterinnen im Zweiten Weltkrieg. Und die britische Autorin hat dazu sechs
Beispiele herausgehoben. Von denen Martha Gellhorn die bekannteste sein mag, obwohl gerade
sie bevorzugt als ebenfalls schreibende Ehefrau von Ernest Hemingway eingeordnet wird.
Dabei gehörte sie zu den besonders Draufgängerischen, als sich unter anderem im Juni
1944 auf ein Lazarettschiff schlich, um bei der Invasion in der Normandie
mittendrin zu sein. Den Einstieg macht allerdings Sigrid Schultz bereits 1936
quasi an der inneren Front, denn die US-Reporterin der Chicago Tribune
arbeitete in Berlin.
Sie charmierte die Nazi-Größen aus allernächster Nähe, um dann böse und entlarvend
darüber zu schreiben. Das jedoch wohlweislich unter einem männlichen Pseudonym, zumal
ihre Mutter Jüdin war. Ebenfalls 1936 tritt Virginia Cowles erstmals mit der
Kriegsberichterstattung auf, für die sie die bequemen Frauenthemen daheim gegen den
Spanischen Bürgerkrieg eintauscht.
Einen ähnlichen Wechsel nahjm auch Lee Miller vor: vom Hochglanzmagazin Vogue
als Korrespondentin und vor allem Fotografin mit einigen der spektakulärsten Fotografien
aus Krieg und Nachkriegszeit. Clare Hollingworth wiederum, einzige Britin unter den
Porträtierten, hatte das zweifelhafte Glück, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
unmittelbar an der polnischen Grenze beobachten zu können.
Und dann war da noch Helen Kirkpatrick, die General Eisenhower persönlich als erste Frau
mit der vollständigen Akkreditierung als Kriegsreporterin bestallte. Generell aber war
den Damen erst einmal der Einsatz in der Etappe vorbehalten. In der Männerwelt des
Militärs waren Frauen im dienstlichen Einsatz nicht gern gesehen und es gab ja so
triftige Gründe, sie von der Front fernzuhalten wie die leidige
Toilettenfrage.
Was sich spätestens beim Vormarsch durch Frankreich schon dadurch erldigte, dass einfach
viel zu wenig männliche Kriegsreporter zur Verfügung standen. Und die Frauen sorgten
für exzellente Reportagen, riskierten dafür oft genug Kopf und Kragen selbst an den
vordersten Kampflinien.
Und die hier mit kurzen Biografien und vielen packenden Erlebnissen mitten aus dem
Kampfgeschehen porträtierten Frauen wurden zu Frontberichterstatterinnen im
Sinne des Wortes. Doch es folgten auch bittere Berichte aus den befreiten Ländern, wobei
die Frauen besonders mit Mitleid, Abscheu und bodenloser Wut vom unfassbaren
Grauen der befreiten KZ berichteten.
Die Autorin schildert aber auch, was dieser heißest mögliche Job mit dem Privatleben der
Frauen machte. Dass alle ihr PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) mit verschiedenen
Folgen erlitten, wird ebenso offengelegt, wie die Leidenschaft für den Beruf, die nie
endete. Fazit: eine mitreißend geschriebene Hommage auf Pionierinnen der
Kriegsberichterstattung.
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