PAUL AUSTER:
BAUMGARTNER
Außergewöhnlich waren die vielen Erfolgsromane von US-Autor Paul Auster fast durchweg.
Da macht auch das jüngste Werk um den emeritierten Princeton-Professor Seymour T.
Baumgartner keine Ausnahme.
Baumgartner heißt denn auch der schlichte Titel eines Romans ohne viel
Handlung um einen über 70jährigen Gelehrten. Der arbeitet gerade an etwas so
Unspektakulärem wie einer Monografie über die Pseudonyme des dänischen Philosophen
Kierkegaard. Im Gegensatz zu diesem für den normalen Leser gähnend langweilig
erscheinenden Thema, erweist sich der lange Prolog jedoch als das Gegenteil.
Geradezu slapstickartig stolpert da der zwischendurch vergessliche alte Herr von einem
Missgeschick zum nächsten. Da verbrennt er sich die Hand, als er in der Küche einen
durchgeschmorten Topf mit der bloßen Hand von der Flamme nimmt. Um dann wegen des in den
Schmerz hineinplatzenden Stromablesers aufgrund der schmerzenden Hand und dem morschen
Geländer die Kellertreppe hinabzustürzen.
So sitzt er schließlich im Sessel, das Knie schmerzt wegen der Arthrose mal wieder noch
mehr als die Hand von der Brandwunde. Sein Mitleid gilt dennoch mehr dem Mann seiner
Putzfrau, die ihm eben berichtet hat, dass der sich beim Gärtnern schwer verletzt hat.
Und Baumgartner philosophiert einmal mehr über das Altwerden, über dessen unerfreulichen
Begleiterscheinungen und wie viel Zeit ihm wohl noch bleibt.
Der wirkliche Kummer seines Lebens aber hat vor zehn Jahren begonnen, als Ehefrau Anna bei
einem Badeunfall umkam. Zwei innig harmonische Intellektuelle waren sie gewesen. So
glücklich und dann nach 40 Jahren das abrupte Ende ohne Abschied.
Das ist die Melancholie in seinem jetzigen Dasein, das er dennoch irgendwie fast im Griff
hat. Einschließlich der selbstgestellten Aufgabe des Buchprojekts Rätsel des
Steuers. Und der kleinen Alltagsfreuden wie das häufige Erscheinen der
UPS-Paketbotin Molly, wegen der er viel mehr Bücher als nötig ordert.
Wenn sich Baumgartner dann sogar in eine Filmtheoretikerin verliebt, die einst mit Ehefrau
Anna befreundet war, blüht sogar ein Ansatz von Verliebtheit auf. Der jedoch keine
wirkliche Chance hat, zumal er intellektuell viel zu erbarmungslos ist, um seinen
allmählichen Verfall zu ignorieren.
Dass Baumgartner schließlich in eine gewisse Hochstimmung verfällt, als sich eine junge
Studentin intensiv für den literarischen Nachlass Annas interessiert, ändert auch nicht
mehr wirklich etwas an der Endzeitstimmung dieses kleinen Altersromans.
Der im Übrigen ganz nah bei Paul Auster ist, ebenfalls Mittsiebziger und krank. Und auch
er in einer langen innigen Partnerschaft mit der Kollegin Siri Hustvedt. Allerdings lebt
die erfreulicherweise noch. Fazit: Paul Auster brillant wie immer, hier in einem komplexen
Spätwerk, so sprunghaft wie die Gedanken und Erinnerungen Baumgartners.
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