JOSEPHINE W. JOHNSON: DIE
NOVEMBER-SCHWESTERN
Es wurden großartige Bücher über die sogenannte Große Depression in den 30er
Jahren in den USA geschrieben, allen voran John Steinbecks Klassiker Früchte des
Zorns. Um so unverständlicher mutet es da an, dass der Roman die
November-Schwestern erst jetzt eine deutsche Ausgabe gefunden hat, denn er wurde
1935 immerhin mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Autorin Josephine W. Johnson (1910-1990) war ganze 20 Jahre alt, als sie mit diesem Debüt
einen Roman veröffentlichte, der beim Leser noch lange nachhallt. In einem zehn Jahre
langen Rückblick erinnert sich da Marget Haldmare an die karge Zeit, die die Familie auf
ihrer Farm durchlitt.
Vater Arnold hatte durch die Wirtschaftskrise seinen auskömmlichen Job in einer
Holzfabrik verloren und stattdessen das abgelegene Farmhaus gekauft, in dem lange niemand
gelebt hatte. Weder war das eine kluge Entschiedung, denn er eignete sich wenig zum
Landwirt und war bereits in den 50ern. Noch war es gut, dass er eine Hypothek dafür hatte
aufnehmen müssen, die er der duldsamen Ehefrau Willa auch noch verschwiegen hatte.
Von den anfangs noch sehr jungen Töchtern Kerrin, der Ich-Erzählerin Marget und der
kleinen Merle erwartete er kaum Hilfe. Kerrin allerdings machte sich im geschickten Umgang
mit den Tieren durchaus nützlich, war zugleich mit ihrer labilen Unrast von klein auf ein
Unruheherd in der Familie.
Von Beginn an hat Arnold große Mühe, trotz härtester Arbeit wenigstens den Unterhalt zu
erwirtschaften. Die Schulden aber drücken und vertiefen noch seine sauertöpfische
Gereiztheit. Besser geht es im Norden der vielköpfigen Farmersfamilie Rathman, wogegen
die schwarzen Ramseys nach immer schlechteren Erträgen sogar von ihrer südlich gelegenen
Farm vertrieben werden.
Für die Mädchen aber steht lange die einfache Liebe zu der schönen der Natur im
Vordergrund, für die die Autorin eine einzigartige Sprache findet mit großartigen
Beschreibungen, ohne je kitschig zu werden. Und doch spürt man von der ersten Zeile an
eine Bedrohung für diese fragile Idylle, die nicht wirklich eine ist.
Dabei hätte nur ein richtig gutes Jahr mit Überschüssen vielleicht alles retten
können. Aber Sicherheit gab es ohnehin nicht an diesem ebenso tückischen wie
freundlichen Ort, am dem Unbeständigkeit das einzig Verlässliche war. Und dann
holt sich der glücklose Farmer in dem jungen Grant eine helfende Hand.
Der zwar eine Stütze ist, die Spannungen insbesondere mit der irrlichternden Kerrin aber
erst richtig anheizt. Die ist mit ihren 19 Jahren bereits mangels Ersatz Lehrerin an der
Dorfschule geworden, nun jedoch noch ungebärdiger in ihrem Verhalten. Während sie Grant
für sich haben will, ist der in die abweisende Merle verliebt. Und einmal mehr ist die
ebenso sensible wie schüchterne Ich-Erzählerin diejenige, die nur still an ihrer
aussichtslosen Liebe zu ihm leidet.
Und dann zerbröselt der letzte Rest von Idylle, als mehrere Dürrejahre alles zunichte
gehen lassen. Die Entbehrungen wachsen sich ins Unerträgliche aus und das Schicksal
zerschlägt die letzten verbissen bewahrten Hoffnungen noch tragischer als erwartet.
Josephine W. Johnson offenbart in diesem zutiefst berührenden Roman einen grandiosen
Stil, mit dem sie die große Liebe zur Natur ebenso souverän ins Bild setzt wie die
realistischen Charaktere. Und Bettina Abarbanell hat diesen Sprachzauber in herausragender
Weise in Deutsche übertragen.
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