RICHARD OVERY:
WELTENBRAND
Richard Overy, Geschichtsprofessor an der Univerity of Exeter, gilt als einer der
profiliertesten Militärhistoriker unserer Zeit. Nach etlichen großen Büchern zu
markanten Themen des Zweiten Weltkriegs, die bereits als Standardwerke gelten, legt er nun
mit Weltenbrand sein Opus magnum vor.
Das Besondere an diesem gewaltigen Werk ist die neue fundierte Sicht auf ein vermeintlich
auserzähltes Stück Geschichte. Die offenbart sich bereits mit dem Untertitel Der
große imperiale Krieg 1931-1945, denn hiermit setzt der britische Historiker neuen
Maßstäbe.
Die teils überraschenden Blickwinkel, Verknüpfungen und Ausdeutungen umfassen einen weit
größeren Zeitraum als den eigentlich Zweiten Weltkrieg in Europa (1.9.1939 - 8.5.1945)
und im Pazifikraum (7.12.1941 - 2.9.1945) und Richard Overy stellt sein Werk nicht unter
den oft gängigen eurozentristischen Blickwinkel sondern den historisch
korrekten globalen Ansatz.
So entscheidend Ansätze wie der Versailler Vertrag, Hitlers Aufstieg und die
Appeasementpolitik der europäischen Alliierten auch für den Zweiten Weltkrieg gewesen
sind, der Ausgangspunkt lag früher und eben nur teils in Europa. Overy verortet einen
wesentlichen Ausgangspunkt im Streben der späteren Achsenmächte Japan, Italien und
Deutschland nach eigenen Imperien als bisher Zukurzgekommene gegenüber den großen
weltweit auftretenden Kolonialmächten.
1931 griff das Kaiserreich Japan China an und eroberte die Mandschurei, 1935 wollte
Mussolini ein neues Römisches Imperium errichten und griff dazu unter anderem das
Kaiserreich Abessinien (heute Äthiopien) an. Nazi-Deutschland schließlich verleibt sich
1938/39 zunächst die Tschechoslowakei und Österreich ein und ließ dann Polen folgen.
Der Autor geht auf die einzelnen Akte dieses aggressiven Territorialimperialismus ein und
beschreibt neben den militärischen Vorgängen auc die politischen und wirtschaftlichen
Grundlagen und Hintergründe. Da hatte Japan besonders unter der Weltwirtschaftskrise zu
lieden, wurde aber auch zunehmend von den USA in seinen wirtschaftlichen Bedürfnissen
eingeengt.
Italiens militärische Schwäche und ökonomische Unzulänglichkeit sorgten bei hohem
Aufwand für eher bescheidenen Erfolge und führten schließlich sogar dazu, dass Hitler
in Afrika und auf dem Balkan massiv eingreifen musste. Wobei Overy den Führer
im Übrigen als das große Mastermind erheblich entzaubert.
Er habe nicht die überragenden Pläne gehabt und vielfach nur auf das Handeln der
Westmächte reagiert statt selbst zu agieren. Etliche Beispiele beschreiben ihn sogar mal
als zögerlich, mals als blanken Hasardeur. Relativiert werden dabei auch manche Aspekte
der legendären Blitzkrieg. Andererseits findet das übergeordnete Ziel
Hitlers, Eurasien in ein Kolonialgebiet umzuwandeln (Lebensraum im Osten)
gebührenden Raum.
Geradezu minutiös arbeitet Overy die globalen Aspekte der parallelen Kriegsereignisse
auf, mit teils verblüffenden Erkenntnissen. Wie zum Beispiel der vermeintliche Blitzkrieg
gegen die in vielerlei unterschätzte Sowjetunion ebenso seine eigentlich
offensichtlichen heiklen logistischen Achillesfersen hatte wie der Eroberungszug
Japans in die Weiten Südostasiens.
Das Island-Hopping der Amerikaner im Pazifik, das Ringen im Mittelmeerraum,
die Rückschläge der Wehrmacht im Osten: noch im Sommer 1942 scheint für kurze Zeit ein
Sieg der Achsenmächte tatsächlich möglich. Und noch im selben Jahr deuten sich parallel
und quasi unabhängig voneinander die großen Wenden für 1943 ab mit Stalingrad, El
Alamein und der Salomoneninsel Guadalcanal.
Die sehr unterschiedlichen Wege zu den Niederlagen in Europa und im Pazifik werden ebenso
auf packende Weise geschildert wie die teils jahrelang tobenden Nach-Kriege.
Mit der Volksrepublik China entsteht ein neues Imperium, Unabhängigkeitskriege toben
unter anderem in Indonesien und Vietnam, Israels Gründung sorgt für Krieg im Nahen Osten
und vieles mehr.
Doch der Historiker belässt es nicht beim reinen militärischen und politischen Ringen,
er geht auch auf wichtige Nebenaspekte ein wie zum Beispiel die oftz entscheidenden
technologischen Neuerungen wie das Radar. Während es 1940 im Luftkrieg und später gegen
die U-Boote wesentlich zur Rettung Großbritanniens beitrug, wurde sein Ignorieren für
die Japaner zu einer mit kriegsentscheidenden offenen Flanke.
Neue Strategien, die Bedeutung von Täuschen und Tarnen sowie von Bombenkrieg und Logistik
bis hin zu Widerstand und Kriegsverbrechen fehlt kein wesentliche rAspekt des
größten globalen Ringens der Menschheitsgeschichte. Fazit: dieses Opus magnum eröffnet
einen faszinierenden neuen Gesamtüberblick zum Thema Zweiter Weltkrieg und es stellt ein
Standardwerk dar, an dem kein ernsthaft Interessierter mehr vorbeigehen kann.
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