FRIEDRICH CHRISTIAN DELIUS:
DARLIN, IT'S DILIUS!
Büchner-Preisträger Friedrich Christian Delius zählt zu den bedeutendsten
deutschsprachigen Schriftstellern der letzten Jahrzehnte und als ein wichtiger Vertreter
der undogmatischen Linken. Als er im letzten Jahr mit 79 Jahren verstarb, hinterließ er
eine Autobiografie, an der er fast bis zuletzt gearbeitet hatte.
Darlin, it's Delius! lautete der Titel und der noch speziellere Untertitel
Erinnerungen mit großem A ist noch typischer für den 1943 in Rom geborenen
Literaten. Und er weist in der Einleitung auf die durchgehend geltende Parole hin, die
gewissermaßen einen Lebensmaxime gewesen sei: Nimm dich nicht so wichtig,
Junge!
Die außergewöhnliche Form dieser Chronik eines großes Schriftstellers gibt der
Untertitel vor, denn Delius hat keine Autobiografie nach fortlaufender Lebenslinie
geschrieben. Vie,lmehr hat er etwa 300 stichworte mit A als Wegmarkierungen
genommen zu mal kurzen Erinnerungsstücken, mal größeren bis hin zu Anekdoten mit oft
selbstironischem Inhalt.
Da beginnt der Pastorensohn mit dem Schnipsel A, der nur den Hinweis auf seine
Blutgruppe A, Rhesus positiv enthält. Am Ende steht dann das Kapitel
Azzuro. Dazwischen stehen interessante, oft auch humorvolle Rückblicke in die
eigene Vita mit Begegnungen philosophischer und politischer Ansichten, Blicke in seine
Schreibwerkstatt und auch so manch Privates.
Es ist ein reicher und höchst lebendiger Fundus der Vergangenheit, den er bewusst
bruchstückhaft belässt. Tatsächlich nimmt sich dieser Delius, der die Enmtwicklunge im
Lande von den dumpfen Adenauer-Zeiten über die Aufbruchjahre der 70er mit Willy Brandt
aber auch der RAF präzise mit großer Sprachgewalt begleitet und
kommentiert hat, nie übermäßig wichtig.
Stilvoll und mit unbestechlichem Blick ließ er seine Eindrücke in über drei Dutzend
Bücher einfließen und bei dieser letzte Publikation seit 1965 darf man das ganze
Delius-Spektrum mit Gedichten, mit Episoden von Begegnungen mit anderen namhaften
Weggefährten und vieles mehr genießen.
Oder als Kontrast über die Anekdote Ärsche schmunzeln, wo der junge Delius
sich eines Abends im Frühsommer 1967 in London einer Japanerin verweigerte, die sein
nacktes Hinterteil filmen wollte. Nicht viel später begann diese Yoko Ono als Künstlerin
und Muse von John Lennon Musikgeschichte zu schreiben.
Doch auch Berührendes bedeutete dem Dichter so viel, dass er es in seine letzten
Aufzeichnungen einfließen ließ: in Augen 83 erinnert er sich liebevoll an
das erste Alleinsein mit der soeben geborenen Tochter Charlotte und ihrem Augenkontakt.
Und so zeichnet der Autor, der zu den stillen aber unüberhörbaren Kulturschaffenden
unseres Landes gehörte, ein gediegenes, schlüssiges Selbstporträt, vom dem vieles in
Erinnerung bleiben wird.
# Friedrich Christian Delius: Darlin, it's Dilius! Erinnerungen mit großem A; 320 Seiten;
Rowohlt Verlag, Berlin; 24
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
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