WOLF WONDRATSCHEK: „EINIGE GEDICHTE“


In den 70er Jahren ging Wolf Wondratscheks Stern als einer der großartigsten und wichtigsten Lyriker der deutschsprachigen Literatur auf. In schier unglaublichen Auflagen wurden seine Gedichtbände verkauft. Doch 1996, als er nach Wien umzog, war mit dem Zyklus „Das Mädchen und der Messerwerfer“ leider Schluss mit seinem lyrischen Schaffen.
Nun endlich nach 27-jähriger Durststrecke und pünktlich zu seinem 80. Geburtstag in diesem August doch etwas Neues! „Einige Gedichte“ ist das dünne, doch qualitativ so schwergewichtige Bändchen überschrieben. Und der stets so eigenwillige bis sperrige Dichter befindet darin ein wenig kokett und zugleich milde sarkastisch: „Ich bin, was ich nie werden wollte, glücklich“.
Wenn er nun von Paradiesen fabuliert in seiner klaren, schnörkellosen Poesie, dann endet es so: „Kleiner Garten der Ruhe/ kleines Gärtlein des Verzeihens/ Ort meines Scheiterns“. Sensibel, zielsicher und ungebrochen mit viel Sinn für das Paradoxe dichtet er in souveräner freier Form über Verluste.
Und da kontrastiert auf funkelnden Weise der bescheidene Wunsch nach „Butterbrot essen/ mit einem Engel“ mit der Selbstverständlichkeit, dass Dichter Götter seien. Um dieses indirekte Bekenntnis mit einer tiefgründigen Weisheit zu untermauern: „Etwas fehlte auf Erden wie im Himmel./ Und nannten es Liebe“.
'Gereimtes über seinen Sohn Raoul darf auch diesmal nicht fehlen, zutiefst berührend aber ist das sich über etliche Seiten erstreckende Langgedicht über den Tod seines älteren Bruders. Hier ist die für Wondratschek teils so verquere aber auch tiefgründige Logik besonders spürbar, denn mit ihm, der so gänzlich anders gewesen war, hatte ihn zu Lebzeiten kaum etwas verbunden.
Aber auch hier scheint mehr als nur eine abgeklärte Altersmilde durch: „Die Dichter waren Götter“, doch selbst die werden müde. Dieser aber ist noch einmal mit seiner unverwechselbaren Stimme zurückgekehrt. Punktgenau, fragil, kein Wort zu viel, wie er es immer gehalten hat. Und mit unbestechlichem Blick für das Wesentliche: „Der Tod..., der Mann, der die Tage zählt, die einer in seinem Leben vertan hat“.
Wolf Wondratschek macht uns zu seinem 80. Geburtstag das schönste denkbare Geschenk und versäumt es nicht, auch zu mahnen: „Nichts, was geschrieben, ist heilig,/ aber macht es nicht kaputt.“


# Wolf Wondratschek: Einige Gedichte; 75 Seiten, Taschenbuch; Ullstein Verlag, Berlin; € 18

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Ly 145 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de