CHRISTIAN BUCKARD: EGON ERWIN
KISCH
Er war zeitweise der berühmteste Journalist der Welt und seinen Spitznamen als
legendärer rasender Reporter legte er sich quasi selbst zu, als er 1925 einen Band seiner
Reportagen unter dem Buchtitel Der rasende Reporter veröffentlichte.
Nun liegt unter den Titel Egon Erwin Kisch. Die Weltgeschichte des rasenden
Reporters pünktlich zum 75. Todesjahr eine große umfassende Biografie vor. Mit
Christian Buckard hat sie ein Filmemacher und versierter Biograf geschrieben, der
einerseits intensiv recherchiert hat und andererseits außerordentlich fesselnd zu
schreiben versteht.
Zunächst begleitet er die Heimkehr Kischs im März 1946 aus dem mexikanischen Exil in
seine geliebte Heimatstadt Prag. Die allerdings durch die Judenvernichtung der Nazis für
ihn zur Geisterstadt geworden ist. Auch Kisch war Jude, zweitältester Sohn eines
angesehenen Tuchhändlers.
Da hat es etwas Makabres, dass der jüdische Kommunist Klisch dann die letzten Jahre
seines Lebens ausgerechnet in der Wohnung verbringt, die vorher Holocaust-Organisator
Adolf Eichmann bei seinen hiesigen Aufenthalten genutzt hat. Dann jedoch geht es
chronologisch weiter mit Kindheit und Jugend des Ungebärdigen mit dem anarchischen
Charakter und der Liebe zum Clownesken.
So lässt die wahre Anekdote schmunzeln, welcher kauzige Umstand ihm seinen zweiten
Vornamen Erwin verpasse. Schon ganz früh steht für den schlechten Schüler wie
auch später beim Militär saß er einfach zu oft in der Arrestzelle, weil er nie einer
guten Pointe widerstehen konnte fest, dass er Journalist werden will, und Emile
Zola ist dabei sein Idol.
Tatsächlich geht er mit 20 ins brodelnde Berlin, das er direkt furchtbar
findet, und absolviert dort auf der weltweit ersten Journalisten-Hochschule sechs Monate
Studium. Zurück im geliebten Prag, wo er seine Zeit am liebsten in den Kaffeehäusern und
in Vergnügungsvierteln verbringt, arbeitet er für die deutschsprachige Tageszeitung
Bohemia. Kisch gehörte zu den deutsch denkenden und sprechenden Juden der
Stadt.
Sein spezieller Stil, ungewöhnlich spannend bei penibler Recherche so zu schreiben, dass
es wahrhaftig ist, macht ihn schnell zum Star der Zunft. Und dann führt ihn
sein Jagdinstinkt zu seinem internationalen Durchbruch, als er 1913 die Affäre Redl
aufdeckt.
Der ranghohe k.und k.-Nachrichtenoffizier hatte sich erschossen. Kisch aber findet heraus,
dass Redl nicht nur ein intensives homosexuelles Leben betrieben sondern auch als Spion
für die Russen gearbeitet hatte. Die Vertuschungsversuche der Regierung unterlief mit
einem genialen Trick: indem er die Gerüchte um Redl in seiner Zeitung öffentlich
dementierte.
Doch der Meister des Erzählens, der dabei nie ein Wort zu viel schrieb, wollte auch
Literat werden. So geht der allseits beliebte Lokal- und Kriminalreporter wieder nach
Berlin, schreibt außer vielen großartigen Reportagen auch Romane und Stücke und hat
eine steile Karriere vor sich. Dann jedoch bricht der Erste Weltkrieg aus und auch Kisch
muss an die Front.
Was er hier in seinen Tagebüchern aus dem unmittelbaren Erleben aufschreibt, ist offen,
drastisch, sprachgewaltig und das ehrliche Zeugnis eines Antihelden. Das Grauen des
Krieges, wie es später Remarques Im Westen nichts Neues unverrückbar
plastisch machen wird. Nur Kischs Aufzeichnungen sind erlebte Wirklichkeit.
Nach einer schweren Verwundung schafft es Kisch 1917 zur Verwendung im
Kriegspressequartier, wo er namhafte Kollegen wie Rilke, Musik und Kokoschka hat. Ion der
Nachrkeigszeit wird Kisch dann zur Legende mit seinen Reportagen, für die er weltweit
unterwegs ist. Inzwischen zum Kommunisten geworden, wird er in Berlin arbeitend gleich
nach dem Reichstagsbrand 1933 verhaftet und kommt nur mit Glück frei.
Mit Ehefrau Gisl geht er dann 1938 ins Exil und ist bei der Heimkehr 1946 ein müder alter
Mann. Nachdem er lebenslang ein starker Raucher war und nun einen Schlaganfall erleidet,
rafft ihn schließlich am 31. März 1948 ein noch schwerer Schlaganfall dahin. Ausgelöst
hatte ihn vermutlich die Erschütterung über den angeblichen Suizid des beliebten
Außenministers Jan Mazaryk. Kisch war noch immer überzeugter Kommunist, doch diesen
gewaltsamen Tod hatte offensichtlich Sowjet-Führer Stalin angeordnet.
Christian Buckard überzeugt mit dieser Biografie auf ganzer Linie, denn Kisch und die
vielen berühmten Zeitgenossen in Umfeld und Freundeskreis werden dicht und lebensnah
sowie mit vielen eindrucksvollen Zitaten lebendig gemacht. Fazit: Egon Erwin Kisch war und
ist die einzigartige Ikone des Journalismus und diese Würdigung seiner Vita wird ihm in
jeder Beziehung gerecht.
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