JAMES KESTREL FÜNF
WINTER
Joe McGrady ist neu beim Honolulu Police Department, als er eines Abends zu einem Mordfall
geschickt wird. In der abgelegenen Hütte findet er einen bestialisch ermordeten jungen
Mann vor. Als er nach seiner telefonischen Meldung ans HPD zurückkehrt, kommt es zu einer
Schießerei mit dem mutmaßlichen Mörder, der offenbar alle Indizien abfackeln wollte.
So ganz im Stil der legendären hardboiled Krimi-noir der 40er Jahre beginnt James
Kestrels in den USA bereits preisgekrönter Roman Fünf Winter. Der jedoch auf
Hawaii im November 1941 einsetzt. Balsd entdeckt McGrady mit seinem zugeteilten Partner,
dem raubeinigen Fred Ball, dass es eine zweite, nur flüchtig abgedeckte Leiche in der
Hütte gibt.
Eine junge Frau, auf jeden Fall asiatisch und ebenso malträtiert wie der junge Mann,
Offensichtlich ein Pärchen und sie musste Zeugin des ersten Mordes werden, bevor ihr
gleiches zugefügt wurde. Die Tat eines Sadisten und McGrady ist sich sicher, dass der von
ihm Erschossene nicht der alleinige Täter war.
Sein Chef allerdings hat wenig Interesse an der weiteren Aufklärung, zumal der McGrady
verdächtigte John Smith allem Anschein nach Guam abgereist ist. Doch dann
kommt Druck von ganz oben, denn der tote Jüngling war kein Geringerer als der Neffe von
Admiral Kimmel, dem (historisch echten) Oberbefehlshaber der in Pearl Harbour
stationierten US-Pazifikflotte.
Tatsächlich wird McGrady nun nach Guam beordert, um John Smith aufzugreifen. Bis
Weihnachten hofft der zurück zu sein, schließlich hat der bisher so Heimatlose in der
Studentin Molly eine Frau gefunden, die er sogar heiraten möchte. Doch sein Abflug nach
Guam findet am 6. Dezember 1941 statt und während John Smiths Spur weiter nach Hongkong
führt, greifen die Japaner am anderen Morgen Pearl Harbour an.
Und John Smith muss mächtige Verbindungen haben, denn kaum hat McGrady in der quirligen
Metropole seinen Aufenthalt herausgefunden, wird er wegen einer fingierten Vergwaltigung
verhaftet. Längst ist der Krimi mittlerweile in einen Kriegsroman und in ganz andere
Dimensionen umgeschlagen, denn die britische Kolonie wird sehr bald von japanischen
Truppen erobert.
Brutal wird McGrady als angeblicher Spion unter elenden Bedingungen in ein Gefangenenlager
in Japan überführt. Bevor jedoch noch Schlimmeres passiert, wird er ausgesondert von
einem geheimnisvollen hohen Ministerialbeamten. Dieser Takahashi hat den Lagerkommandanten
nicht nur für die Überstellung an ihn sondern auch für die offizielle Notiz, dass
McGrady hingerichtet worden sei, bestochen.
Womit für McGrady eine ungewöhnliche endlose Zeit der Isolation beginnt, denn Takahashi
bringt ihn in seinem abgeschirmten Haus am Rande von Tokyo unter. Aus sehr persönlichen
Gründen: das asiatische Mordopfer auf Hawaii war seine Nicht Miyako. Takahasi bekennt
sich als Pazifist, der sich wie andere Kriegsgegner auf hoher Ebene nicht gegen die
Entwicklung hatte durchsetzen können. Und nun hat er aus mehr als nur persönlichen
Gründen intensives Interesse daran, das der Mörder Miyakos zur Strecke gebracht wird.
Es setzt eine lange Zeit des Versteckspiels ein, in der Takahashis Tochter Sachi McGrady
die japanische Sprache und Kultur lehrt und auch ansonsten eine enge Vertraute wird.
Gerade auch in diesem Teil des Romans faszinieren das Zeit- und Lokalkolorit des Autors
(der selbst auf Hawaii lebt) und da gibt es nicht nur hochklassige feinsinnige bis
poetische Passagen.
Auch die packende Schilderung des verheerenden Bombenangriffs vom 10. März 1945, bei dem
fast ganz Tokyo ausgelöscht wurde, zählt zu den herausragenden historischen Aspekten.
Und, ja, McGrady überlebt den Krieg und kehrt heim. Doch da steht die Verpflichtung
seines Retters, den Schlächter von 1941 zur Strecke zu bestrafen.
So kommt es zu einem dramatischen Schlusskapitel, mehr jedoch sei davon nicht verraten.
Nur so viel noch: auch jetzt fällt der längst zu einem großen Epos gewordene Roman
nicht zurück in einen schlichten Krimi. Aus einer vermeintlich normalen
Detektivgeschichte zum Kriegsepos vor sehr realem Hintergrund und ebenso dezent wie
gekonnt mit einer Liebesgeschichte verbunden, hat sich ein auch sprachlich fesselnder
großer literarischer Wurf mit glaubhaften Charakteren und viel Tiefe entwickelt.
Bleibt zum Schluss noch ein Wunsch offen: dass sich Hollywood dieser grandiosen Vorlage
adäquat und dann garantiert spektakulär annehmen möge.
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