MAGGIE HABERMAN:
TÄUSCHUNG
Es sind schon dutzende Bücher mit mehr oder weniger tiefen Einblicken in Leben und Wirken
von Donald J. Trump geschrieben worden, so dass man alles Wichtige darüber zu wissen
meint. Dennoch lohnt sich die große Chronik, die Maggie Haberman gerade pünktlich zu den
so wichtigen Midterm-Wahlen 2022 vorgelegt hat.
Der deutsche Titel äautet Täuschung. Der Aufstieg Donald rumps und der Untergang
Amerikas. Im Original aber heißt er Confidence Man, was in etwa mit
Bauernfänger zu übersetzen wäre und die Wahrheit wohl viel treffender
beschrieben hätte.
Die Vorteile für die Qualitäten dieses Buches der Pulitzer-Preisträgerin, die seit
langem zu den Spitzenjournalisten der USA zählt, liegen auf der Hand. Seit über 20
Jahren begleitet sie Trumps Aufstieg vom New Yorker Immobilien-Tycoon bis ins Weiße Haus.
Und sie hat ihn dreimal persönlich interviewt.
Sie schien ihm dabei so zu gefallen, dass er sogar äußerte, sie sei wie sein Psychiater.
Was Haberman ebenso unberührt ließ wie die Herabwürdigung durch Trump als Präsident,
der sie wegen ihrer ungeschmälert kritischen Berichterstattung über ihn als
drittklassige Reporterin zurechtwies. Tatsächlich aber hat niemand je so
akribisch und schonungslos über den extrem narzisstischen Geschäftsmann und
Möchtegern-Politiker geschrieben wie sie.
Zum besseren Verständnis des Phänomens Trump analysiert und schildert Haberman aus der
Sicht der New Yorker Zeit des Mannes, dessen alles beherrschender Wunsch schon seit jungen
Jahren war, ein Star zu sein. Sie beschreibt einen skrupellosen Manipulator, geprägt vom
Sumpf aus Korruption und Misswirtschaft, wie er in seinen dortigen Aufstiegsjahren
herrschte.
Trump weise ein flirrendes Charisma auf und könne sehr charmant sein, sei aber auch als
paranoid und rachsüchtig berüchtigt. Vor allem jedoch sind bei ihm Vertrauenswürdigkeit
und Verlässlichkeit völlig unterentwickelt: In der Regel war er ein Verkäufer,
der sagte, was er sagen musste, um die jeweils nächsten zehn Minuten zu überleben.
Die vielen bereits veröffentlichten, oft unfassbar erratischen Vorfälle insbesondere aus
den wilden Jahren im Wießen Haus werden durch Habermans Erkenntnisse vielfach noch mit
neuen Fakten und Details angereichert wodurch vieles noch unglaublicher wirkt,
obwohl es belegte Realität ist.
Da gibt es neue Einblicke in Trumps Verhalten nach Joe Bidens Wahlsieg. Den er schon vom
Naturell her gar nicht anerkennen konnte. Wie er wegen dieses Wahlbetrugs
ernsthaft vorhatte, das Weiße Haus einfach nicht zu räumen, wird noch einmal mit allen
abstrusen Begleiterscheinungen geschildert.
Und man erfährt Genaueres über manche Macken dieses völlig unprofessionellen
Politikers, der sich auch von viel Aberglauben leiten lässt und dessen gefürchtete und
zuweilen erfolgreiche Impulsivität auch ins Selbstzerstörerische reicht. Im Übrigen
berichtet Haberman von einer panischen Angst vor Vergiftung.
Das spielte auch bei seinem hollywood-reifen Verhalten bei seiner Corona-Infektion im
Oktober 2020 eine wichtige Rolle. Trump hegt eine große Phobie gegen Krankenhäuser und
alles, was mit Krankheit zu tun hat, denn das fällt für ihn uin die Kategorie
Schwäche. Dabei hätte er seine Erkrankung ohne ein bis dahin noch nicht zugelassenes
Antikörper-Medikament vermutlich gar nicht überlebt.
Und dann die Abwahl: diese Niederlage entzog ihm den Job, der ihm die größte
kontinuierliche Aufmerksamkeit seines Lebens beschert hatte. Die ganze Blindwütigkeit
seines Auflehnen dagegen präsentiert Maggie Haberman inh ihrer ganzen Hemmungslosigkeit.
Ob man Donald Trump nach dieser ebenso seriösen wie irren Lektüre die jeden
politisch interessierten Menschen fesseln wird besser versteht? Dazu stellt die
Autorin am Schluss ihres Buches fest: Die Wahrheit ist, dass ihn letztlich fast
niemand wirklich kennt. Einige kennen ihn besser als andere, aber er ist oft schlichtweg
undurchschaubar.
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