HANS LEISTER: DAS
U-BOOT
Hans Leisters neuer Thriller beginnt mit einem dunklen Prolog. Mit dessen Ich-Erzählerin
Leah Friedman dann jedoch auch das Geschehen einsetzt. Die israelische Wehrpflichtige wird
zu einer geheimen Marine-Einheit versetzt, den U-Booten.
Das U-Boot heit denn auch der Titel des Romans, der nun erst einmal die
interessanten Feinheiten dieser Einheiten mit ihren streng geheimen Fahrten entfaltet.
Jeweils für sechs Wochen strikt unter Wasser laufen sie aus und dienen als Abschreckung
gegen die Feinde Israels, denn sie tragen jeweils zwei atomar bestückte Raketen
mit sich.
Während Leah nun Mitglied der ersten rein weiblichen Crew wird nur der Kommandant
ist ein Mann eröffnet sich parallel die Handlungsebene mit dem Tunnelbau-Ingenieur
Tarik. Der Mann aus dem Gaza-Streifen wird von der Hams zum Bau eines Spezial-Tunnels
beordert: für Personen und Waffen von und nach Ägypten, aber so tief und sicher gelegen,
dass er gegen israelische Angriffe immun ist.
Leah erlebt zwar raffinierte Angriffsübungen, dennoch lässt ihre Begeisterung nach, denn
sie begegnet Uri. Als sie ihn schließlich heiratet, möchte sie schon deshalb bald
Kinder, weil sie mit einer Schwangerschaft dem zunehmend nervenden U-Bootdienst entkäme.
Tarik hat derweil weit größere Sorgen, denn sein Sohn fällt nach einer gewalttätigen
Demo gegen die Israelis verletzt aus als Akteur im Tunnel.
So muss Tarik seine Tochter Amany mit hinunternehmen. Nur ungern, denn die junge Frau ist
zwar willig und hochintelligent, aber eine nur bedingt belastbare Autistin. Allerdings mit
einer außergewöhnlichen Ausformung, denn sie befasst sich in extremer Weise mit
jeglichen Landkarten, womit sie sogar Geld verdient.
Noch ist das alles zwar interessant, doch die Exposition mitsamt ihrer Figurenvorstellung
und vielen wichtigen Details erzeugt relativ wenig Spannung. Aber das Durchhalten wird
mächtig belohnt, wenn sich Leah auf die nächste Fahrt begibt. Schwer enttäuscht, weil
der jüngste Schwangerschaftstest wieder negativ war, stellt sich das erst unter Wasser
als Irrtum heraus.
In die Freude hinein aber gerät das U-Boot in Vollalarm. Donnern und Krachen, alles auf
Gefechtsstand: Kriegszustand?! Beim vorsichtigen Auftauchen herrscht Nacht am Tag, es
regnet Bimssteinbrocken und es gibt keinerlei Funkkontakt zu irgendwem. Zur selben Zeit
werden Tarik und Amany im Tunnel von Donnergrollen und schwerem Wassereinbruch überrascht
und können sich nur mit Mühe retten.
Draußen jedoch ist alles düster und der dicht bevölkerte Gaza-Streifen leergefegt.
Dieses Nichts und die Dunkelheit, durch die die Beiden wanken, entdeckt auch die Crew des
U-Boots. Bis die beiden Palästinenser unter vielen Strapazen ausgerechnet mit dem
verbunkerten Hauptquartier des israelischen Militärs eine rettende Unterkunft finden. Die
einzige Gewissheit, die gleichwohl irritiert, ist das Fehlen jeglicher ABC-Werte.
Um nicht zu viel zu verraten von dem jetzt folgenden ebenso spannenden wie beklemmenden
Geschehen, nur so viel: es gibt vage Informationen über eine funktionierende
militärische Anlage in den Schweizer Bergen. Genau dorthin will die Crew nun, wozu sie
dann auch Tarik mit seiner Tochter wegen deren Geografie-Kenntnissen mitnehmen. Diese
Fahrt durch eine apokalyptische Welt, von der niemand weiß, welche globale Katastrophe
sie heimgesucht hat, wird eine hochgefährliche Odyssee.
Und Hans Leister wartet mit einer knackigen Überraschung auf, wenn er die Verknüpfung zu
seinem dystopischen Thriller Der Tunnel offenlegt. Es ist dieselbe Katastrophe
und dieselbe Bunkeranlage Verena, zu der die Überlebenden des U-Boots sich
durchkämpfen. Auch hier gibt es einen nachdenklich stimmenden Ausblick in die nähere und
dann auch eine fernere Zukunft.
Fazit: nicht ganz die spektakuläre Hochspannung wie in Der Tunnel und doch bis
zuletzt auf sehr intelligente Weise fesselnd. Das allerdings wegen vieler maritimer und
militärischer Passagen vermutlich eher für männliche Leser.
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