WOLE SOYINKA: DIE
GLÜCKLICHSTEN MENSCHEN DER WELT
Wole Soyinka war 1986 der erste afrikanische Schriftsteller, der mit dem
Literatur-Nobelpreis geehrt wurde. Nun, 48 Jahre nach seinem letzten Roman, legt der
nigerianische Autor, der ansonsten vor allem für zahlreiche Theaterstücke berühmt ist,
eine Art Alterswerk vor, einen ganz großen Afrika-Roman.
Die glücklichsten Menschen der Welt lautet der Titel und angeblich sind die
Nigerianer genau das. Doch der 87-jährige nimmermüde Kritiker politischer Verhältnisse
der wegen der Trump-Wahl 2017 sogar seinen USA-Aufenthalt als Dozent beendete und
heimreiste ist nicht nur wortgewaltig wie eh und je, er widmet sich hier einem
fiktiven Nigeria als Nation, die sich moralisch im freien Fall befindet, mit
schwarzhumoriger Satire.
Dazu führt er ein Quartett von Akteuren vor, die sich beim Studium in England zur
Gong der Vier verschworen. Das war in den 50er Jahren und nach dem Ende des
Kolonialismus in den 60er Jahren kehrten drei von ihnen heim, der Karriere wegen, aber
auch um ihr Land voranzubringen. Der Roman beginnt jedoch mit dem vierten, der aus
unrühmlichen Gründen aus London verschwinden musste. Auch daheim und bei einem
Einwanderungsversuch in die USA scheiterte dieser windige Gauner.
Doch er war voller spiritueller Hormone und so mutiert er zu Papa Davina. Als
Einsiedler und Magier thront er in einem Haus auf einer Müllhalde und ist der Herr der
von ihm gegründeten Ekumenika, der von seinem Hügel der Erkenntnis und
Aufklärung herab immer erfolgreicher eine Art Chrislam predigt.
Sein alter Studienfreund Duyole Pitan-Payne dagegen wurde als Ingenieur so angesehen, dass
er jetzt als Energieberater zur UNO entsandt werden soll. Allerdings läuft auch bei ihm
nicht alles gradlinig, als er mit Premierminister Godfrey Danfere, allgemein Sir Goddie
genannt, zusammentrifft und gegen ihn intrigiert wird. Bei den Schilderungen der
wichtigsten Protagonisten ragt im Übrigen die Geschichte dieses Politikers mit besonders
spitzfindiger Satire heraus.
Seine Partei führt den sinnfälligen Namen POMP und Sir Goddie, der sich an Narzissmus
von niemandem übertrumpfen lässt, nennt sich nicht nur Heger des Volkes, er
weiß seine Popularität auch mit ominösen Festen samt Ehrungen verdienter Bürger als
Yeoman of the Year ständig zu steigern.
Als Dritter im Gong der Vier tritt dann der Chirurg Dr. Kighare Menka auf. Die
vielleicht ehrlichste Haut des Quartetts rutscht durch seinen Beruf zunehmend in das
eigentliche schmutzige Geschäft dieses Romans. Immer wieder hat er es mit Opfern von
Terroranschlägen und großen Verkehrsunfällen zu tun und bei den oft nötigen
Amputationen gibt es ein hohes geschäftliches Interesse an den Abfällen.
Hier bekommt der Begriff human resources eine sehr eigene Bedeutung. Die
Terrorbanden von Boko Haram gaben das Beispiel vor: für allerlei Rituale und
abergläubische Praktiken sind menschliche Körperteile von erklecklichem Wert. Und die
von Dr. Menka besorgten Teile stammen nicht einmal von Geiseln.
Auch weitere Akteure toben durch all die dunklen Geheimnisse und Machenschaften in dieser
durch und durch korrupten Gesellschaft. Da stolpert Prinz Badetona, angeblich ein
mathematisches Genie, durch Passagen himmelschreiender Absurdität. Und wer dann nach dem
vierten Mitglied der Gong der Vier fragt er heißt Farodion und niemand
weiß, was er so treibt. Aber es sei verraten, dass er noch im Spiel ist, sehr sogar.
Dieser Roman ist eine ebenso scharf gewürzte wie anspruchsvolle lebenspralle Geschichte
voller süffisantem Hintersinn und ätzender Satire. Sie strotzt von Eitelkeit, Gier,
Geltungsdrang und erscheint gnadenlos realistisch als modernes Epos. Wole Soyinka erweist
sich als Stimme Afrikas und seine jahrzehntelang geübte Kritik an den Zuständen nicht
nur in seinem Land gipfelt nun in einem Meisterwerk, das mit dem Motto Perspektive
ist alles beginnt und mit der Devise Showtime, Baby! endet. Fazit: das
ist wahrhaft eines Literaturnobelpreisträgers würdig.
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