IRENE VALLEJO: PAPYRUS
Am Anfang war das Wort und die mündliche Überlieferung. Dann begannen im 8. Jahrhundert
vor Christus die ersten schriftlichen Aufzeichnungen und: Nach der Erfindung des
Alphabets war die Welt nicht mehr dieselbe. Das sagt die spanische
Literaturwissenschaftlerin Irene Vallejo und sie widmete sich dem, was daraus folgte: dem
Buch.
Ihr daraus entstandenes eigenes, bereits viel gerühmt und ausgezeichnet, steht unter dem
Titel Papyrus, denn aus dieser am bzw. im Nil wachsenden Pflanze wurden die
ersten Schriftrollen gefertigt. Sehr anschaulich und unterhaltsam stellt Vallejo die
große Sammelwut von Ptolemäus II. (308-246 v.Chr.) nach Büchern an den Anfang, mit der
dieser griechisch-ägyptische Pharao die legendäre Bibliothek von Alexandria anfüllte.
Sie sollte den ganzen Wissenschaft der damaligen Welt bergen. Doch mindestens so spannend
lesen sich die Entwicklungen bis zu dieser Epoche und die der weiteren Bücherwelt. Wozu
denn auch die recht baldige Ersetzung des empfindlichen und leicht verderblichen Papyrus
gehört. Deren Auslöser allerdings nicht die Vergänglichkeit des pflanzlichen und nur
einseitig verwendbaren Schreibuntergrundes beitrug.
Wegen eines Streits mit dem König von Pergamon verhängte der Pharao einen Lieferstopp,
worauf die findigen Köpfe im westlichen Kleinasien aus Tierleder das schufen, was als
Pergament nicht nur viel haltbarer war sondern obendrein beidseitig
beschreibbar. Weshalb es sich auch schnell allenthalben durchsetzte.
So, wie nun die weiteren Entwicklungen von den Schriftstücken zu Büchern und zu
Buchhandlungen und den ersten Bibliotheken fortschreitet, erfährt man viele, oft wenig
bekannte Fakten über diesen bahnbrechenden Wandel in der Menschheitsgeschichte. Und hier
muss der einzige Fehler dieses sonst so vorzüglichen Buches klargestellt werden. Dessen
Untertitel lautet auf Deutsch Die Geschichte der Welt in Büchern, im Original
aber benennt er das, was hier tatsächlich Thema ist: Die Erfindung des Buches in
der Antike.
Dieses Entstehen und Aufblühen aber ist auch eine exzellente Geschichte der
Geschichtsschreibung selbst. Zughleich fesseln immer wieder Anekdoten, die unterhaltend
und erhellend, dabei aber stets seriös sind. Andererseits geht Irene Vallejo
zwischendurch auch auf modernere Phänomene ein wie die revolutionäre Wirkung von
Büchern und auch deren Zensur in Diktaturen bis hin zu Prozessen gegen missliebige
Cartoons.
Papyrus ist ein ebenso anspruchsvolles wie mitreißendes Sachbuch insbesondere
für jeden Bücherliebenden, denn ein leidenschaftlicheres Plädoyer für das Buch an sich
und bitteschön auf Papyrus gedruckt ist kaum denkbar. Fazit:
einschließlich der hervorragenden Übertragung ins Deutsche und der bibliophilen
Aufmachung ein Schatz für jedes gute Bücherregal.
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