AXEL S. MEYER: DER MANN, DER
DIE WELT ORDNETE
Es erscheint uns als selbstverständlich, dass jedes Lebewesen wissenschaftlich mit zwei
Namen benannt ist. Der eine nennt die Gattung, der andere beschreibt die jeweilige
Spezies. Den Grundstein für diese Nomenklatur der Arten legte der schwedische
Wissenschaftler Carl von Linné (1707-1778).
Das mag unspektakulär klingen, das Entstehen und die Entwicklung dieser Systematik waren
jedoch spannungsreicher, als man vermuten sollte. Und genau dem hat sich der versierte
Bestsellerautor Axel S. Meyer in seinem neuen Historienroman Der Mann, der die Welt
ordnete gewidmet.
Als Prolog lässt er Carl Linnaeus, so sein bürgerlicher Name, an seinem 46. Geburtstag
als Ich-Erzähler über sein soeben erschienenes Meisterwerk Species Plantarum
sinnieren. Er will damit eine neue Epoche der Naturwissenschaften einläuten und sagt
selbstbewusst zu dem, was er der Natur angedeihen lässt: Gott hat sie erschaffen,
ich habe sie geordnet.
Das aber kommt bei vielen in der Wissenschaft gar nicht gut an und besonders harsch
reagiert der in St. Petersburg lehrende Arzt und Botaniker Johann Georg Siegesbeck
(1686-1755). Das von Linnaeus verwendete Sexualsystem der Pflanzen zur Fortpflanzung
empört den gottesfürchtigen Mann als ungeheuerlich: Wer möchte glauben, dass von
Gott solche verabscheuungswürdige Unzucht im Reiche der Pflanzen angerichtet worden
ist?
Während nun einerseits relativ nah an der echten Vita des Pfarrerssohnes Linnaeus entlang
dessen Jugend und dem Weg als leidenschaftlicher Botaniker romanhaft gefolgt wird,
wechseln sich diese Kapitel mit denen zum fruchtlos widerstreitenden Siegesbeck ab.
Mangels ausführlicher Faktenlage hat der Autor diesem viel Fiktives angedeihen lassen,
deftig, zuweilen kauzig und strafweise bis zum Gärtner von Friedrich dem Großen.
Doch auch der Weg Linnés vom Professor an der Universität Uppsala, zur Mitbegründung
der Schwedischen Akademie der Wissenschaften und seiner Anerkennung nach längerer
Ablehnung erweist sich als höchst abwechslungsreich und lebendig. Hier greift immer
wieder auch der zuweilen geradezu satirische Humor, wenn das pralle Leben munter
beschrieben wird.
Da benimmt sich der Hagestolz, der alles seinem Drang als Wissenschaftler unterordnet, so,
dass man ihn heutzutage wohl als Nerd bezeichnen würde. Die Mutter seiner sechs Kinder
nennt ihn denn auch wenig ehrfurchtsvoll einen Unkrautsammler.
Wer nun jedoch mit den Unwägbarkeiten dieses sehr interessanten Romans über eine
historische Persönlichkeit aus jener Aufbruchzeit der modernen Wissenschaften im 18.
Jahrhundert hadert, dem sei das Nachwort des Autors unbedingt zu empfehlen. Beim Leben und
Wirken des später geadelten Linnaeus sei vieles fiktionalisiert, wogegen der skurrile
Widersacher Siegesbeck lediglich eine Vorlage für weitgehende Fiktion gewesen sei.
Die Grundlinien jedenfalls beruhen auf Fakten und zum großen Lesevergnügen trägt neben
viel Interessantem zur Botanik und ihrer Erforschung insbesondere das hinreißende Zeit-
und Lokalkolorit bei.
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