TIM MACKINTOSH-SMITH:
ARAB
Wer von den Arabern spricht, setzt dies in der Regel mit dem Islam gleich und
meint vielfach Völkerschaften, die keine oder nur teils wirklich Araber sind. Eine
vorzügliche Klarstellung zu diesen Ungenauigkeiten und Irrtümern bietet nun Tim
Mackintosh-Smith mit seinem großen Buch Arab. 3000 Jahre arabische
Geschichte.
Seit jeher wird viel Unterschiedliches unter dem Begriff Araber verstanden und einiges
gilt heutzutage auf jeden Fall: Araber, das ist ein ethnisches Konglomerat.
Mackintosh-Smith gilt als vorzüglicher Experte zu dem Thema, zumal der Arabist und
renommierte Reiseschriftsteller selbst quasi mittendrin lebt, denn seit Jahrzehnten ist
die arabische Welt sein Zuhause.
Und er stellt schon im Vorwort zu diesem Buch klar, dass er eine Geschichte der Araber und
nicht des Arabischen geschrieben habe. Allerdings sei just die Sprache von jeher der
einigende rote Faden gewesen, der als dauerhaftes Bindeglied wirkte und sowohl Einheit wie
auch Identität stiftete. Aber als Völkerschaften finden sich erstmals im Jahr 853 v.Chr.
urkundlich erwähnt und ihr Verbreitungsgebiet war im wesentlichen die arabische
Halbinsel, heute insbesondere von Saudi Arabien, Jemen, Oman und den Scheichtümern am
Persischen Golf geprägt.
Es waren nomadische Stämme und Literatur und Kultur waren überwiegend mündlich. Vor
allem aber ist festzustellen, dass eine Hälfte der arabischen Geschichte vorislamisch
verlief. Erst 582 n.Chr. begann der Stern Mohammeds als Prophet zu erstrahlen und erst
Anfang des 7. Jahrhunderts kam mit dem Koran das erste Buch arabischer Sprache in die
Welt. Das allerdings mit dynamischer Einigungswirkung und als bis heute verbindende
Eigenschaft.
Das explosive Aufkommen des Islam verdrängt also die lange arabische Vorgeschichte aus
dem Blick. Schon gut zwei Jahrhunderte vor der Niederschrift des Koran hatte sich die dann
verbreitete Hochform der arabischen Sprache und Schrift entwickelt. Mit Mohammed und dem
Koran setzte ein unglaublicher Eroberungszug ein, der die Araber zwischen 635 und 750 zur
Weltmacht von Westeuropa bis Zentralasien beförderte.
Doch so wie die religiöse Einheit im Islam bereits 40 Jahre nach Erscheinen des Heiligen
Buches durch Kämpfe um Macht und Anerkennung zwischen verschiedenen sTrömungen zerrissen
wurde, zerbrach bereits im 13. Jahrhundert die Einheit der Araber und ihr arabisches Reich
zerfiel. Immer neue Völkerschaften drängte in die muslimische Reiche. So war zum
Beispiel Saladin, der legendäre Heerführer gegen die christlichen Kreuzfahrer, ein
Kurde.
Es gab mongolische Eroberer, mit den Seldschuken wurde der Vordere Orient durchdrungen.
Und spätestens im Jahr 1517 erfolgte eine einschneidende und dauerhafte Zeitenwende, als
der osmanische Sultan Selim I. als Nicht-Araber den Titel Kalif und Herrscher über
die Heiligen Stätten des Islam übernahm.
Zu der bis heute virulenten Schwäche der Araber, stets untereinander zerstritten zu sein,
gesellte sich ein anderes Problem: die kunstvolle arabische Kursivschrift. Sie widersetzte
sich dem so wirkmächtigen, sich von Europa her ausbreitenden Buchdruck als quasi
unbeherrschbar. Eine Schwäche, die sich erst im 19. Jahrhundert und später im digitalen
Zeitalter allmählich beheben ließ.
Der große Geschichtsbogen reicht bis in die Gegenwart, wo das Arabertum trotz Sprache und
Koran und auch trotz des sogenannten Arabischen Frühlings vom Uneinheitlichen
beherrscht bleibt und es die Araber auch weiterhin nur als Sammelbegriff gibt.
Mit seinem faktenreich Diskurs bietet Arabist Mackintosh-Smith eine anspruchsvolle
fundierte Grundlage von ideologiefreier Objektivität zum besseren Verständnis des
komplexen Themas.
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