RÉBECCA DAUTREMER: „PUNKT 12“

 
Ein ganzes Buch erzählt von der Verabredung des Kaninchenjungen Jacominus Gainsborough, die er mit seiner Freundin Sweety hat. Er wartet im Hafen auf sie, weil er bald verreisen muss.
Genau um 12 Uhr wird sein Schiff ablegen und so heißt auch der Titel „PUNKT 12“. Daraus hat die französische Autorin Rébecca Dautremer eine einzigartige Geschichte gemacht, denn sie erzählt sie mit wenigen Sätzen aber über 200 ausgestanzten Bilderseiten. Entstanden ist eine Art Bilderbox aus kunstvollen Papierschnitten.
Es beginnt um 9:20 Uhr, als sich Sweety aus ihrem Häuschen durch den blühenden Garten auf den Weg macht. Liebevoll und ganz in wunderbarer Farbgebung erscheint jedes der unzähligen Details und beim Weiterblättern entsteht das Gefühl des Durchschreitens eines dreidimensionalen Raums. Hinter jeder Seite zeigen sich Veränderungen und immer neue Handlungselemente deuten sich an, während man als Bildunterschrift die bangen Sätze des sehnsüchtig wartenden Jacominus liest.
Durch den Park, durch die Stadt, in den Hafen hinein – ob Sweety es rechtzeitig schafft? Sehnsucht und Warten stehen im Mittelpunkt und als man die Liebenden ganz am Schluss vereinigt sieht, beginnt das Warten erneut, denn Jacominus muss ja fort und das auf viele Wochen.
Das Alles hat etwas Philosophisches und wirkt ebenso tiefgründig wie leicht. In einem aber muss man den Verlagsangaben klar widersprechen: im Gegensatz zum Vorgängerbuch „Das Stundenbuch des Jacominus Gainsborough“ ist dieses sehr filigrane und hochwertige Kunstbuch auf keinen Fall für Kinderhände geeignet. Selbst als Erwachsener wird man es mit Genuss aber eben auch mit großer Vorsicht und am besten mit Stoffhandschuhen durchblättern. Und sich nicht sattsehen daran.

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 
Achtung: Für dieses Buch gibt es offenbar Lieferprobleme, obwohl es erst im September 2020 erschienen ist. Laut Verlag ist mit dem Wiedererscheinen am 7. Juni 2021 zu rechnen.

Kennziffer: So 517 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de