M. A. BENNETT: "SIEBEN
SPIEL OHNE REGELN
Als Licoln Selkirk zu sich kommt, liegt er auf dem Strand einer abgelegenen Südseeinsel.
Offenbar hat er als einziger den Flugzeugabsturz überlebt und jubelt: Meine
Klassenkameraden waren tot. Sie waren alle tot. Und was ein Grund zum Feiern.
Das aber ist nur der Prolog zu Sieben Spiel ohne Regeln, dem neuen
Jugendthriller der britischen Erfolgsautorin M. A. Bennett. Was sich da so herzlos und
makaber anhört, wird dann jedoch zunehmend verständlicher, denn Ich-Erzähler Lincoln
schildert zunächst die Vorgeschichte. Als Kind war er mit seinen Eltern aus den USA nach
England umgesiedelt, weil die als Professoren für Verhaltensforschung nun in Oxford
lehrten.
Eine schöne Kindheit mit den hippiemäßig lockeren Eltern, die ihren extrem
wissbegierigen Sohn daheim unterrichteten, endete mit 13 drastisch. Das Schulsystem
erforderte, dass er nun eine Schule besuchte, das jedoch war ausgerechnet die Osney
School, die Privatschule für Kinder der Oxford-Akademiker. Wo der völlig unsportliche
Nerd gleich am ersten Tag den brachialen Auftakt zu einer langen Leidenszeit erlebt.
Sport steht in Osney über allem und beim Aufnahmeritual schneidet Lincoln so kläglich
gegen Loam, die hünenhafte Sportskanone seines Jahrgangs ab, dass er von nun an
unablässig nicht nur Sklavendienste für die sechs Klassenkameraden leisten sondern auch
tagtägliche Erniedrigungen bis hin zum nächtlichen Cybermobbing erleiden muss.
Und die Sechs haben ihre sehr persönlichen Eigenheiten. So hielt sich der Sportheld Loam
mit dem Spatzenhirn bisher den unterwürfigen Trottel Gilbert als Diener und Turk, den
kriminellen Fiesling als Kumpel. Die schöne Miranda ist furchtbar eingebildet, eine
Superschwimmerin und bald auch mehr als nur befreundet mit Loam. Das Wunderkind Jun Am Li
Violine und Tennis begegnet Lincoln mit unverhohlener Feindseligkeit und
selbst von Flora wird er mit Ablehnung bedacht, obwohl sie selbst mangels sportlicher
Talente als Außenseiterin gilt.
Kein Wunder, dass Lincoln nach drei ahren mit nun 16 seinen Eltern klarmacht, er werde
irgendetwas machen, aber auf keinen Fall weiter diese Schule besuchen. Sie willigen unter
der Bedingung ein, dass er zuvor noch das bereits teuer bezahlte Sommercamp zum
Schuljahresabschluss mitmacht. Und so landete er also unplanmäßig als Überlebender auf
der einsamen Insel.
Wofür er beste Voraussetzungen mitbringt, denn gerade mit Robinsonaden hat er sich schon
immer interessiert. Bestens kennt er die Geschichte des Grafen von Monte Christo aber auch
J.M. Barries Theaterstück Zustände wie im Paradies (The Admirable Crichton),
in dem eine Aristokratenfamilie samt Butler auf einer Insel strandet und plötzlich die
gesellschaftliche Rangordnung auf den Kopf gestellt wird.
Und genau das passiert auch hier, denn Lincoln muss zu seinem Entsetzen entdecken, dass
seine sechs Peiniger von Osney ebenfalls überlebt haben. Doch nun geschieht schier
Unglaubliches, denn hier in der abgeschiedenen Wildnis ist Wissen Macht und nicht
athletisches Heldentum. Nerd Lincoln weiß, wie man jagt, er weiß, wie man fischt und
eine Hütte baut. Vor allem aber und das Geheimnis bewahrt er intensiv für sich
er versteht es, Feuer zu machen.
Er gewinnt sogar den psychologisch spannenden Machtkampf mit dem König von
Osney und baut seine Position als Anführer immer mehr aus: Das hier war
Lincoln Island. Als Leser fiebert man mit bei Lincolns Revanche für all die
Fiesigkeiten der letzten Jahre. Doch allmählich schlägt das Pendel zur anderen Seite aus
und mit ungutem Gefühl erkennt man, wie ihm die Macht derartig zu Kopfe steigt, dass er
sich sogar in einer überdrehten Krönungsmesse zum König über seine
Untertanen erheben lässt.
Doch dieser packend geschriebene Thriller hat noch weitere mächtige Überraschungen auf
Lager und es kommt zu atemberaubenden Entwicklungen. Das gilt aber auch für die
Charakterzeichnungen, die den anfangs noch recht klischeehaft auftretenden Protagonisten
en zunehmend Konturen verleihen.
Begleitet wird das Alles von vielen literarischen Anspielungen und Musikzitaten, wie es
aber schließlich endet, soll hier natürlich nicht verraten werden. Fazit: ein ebenso
hochklassiger wie absolut filmreifer Roman, der nicht nur Teenager begeistern wird.
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