KYLE HARPER: FATUM
Es gab ein ganzes Bündel von Ursachen für den Untergang des Römischen Weltreichs und
die wissenschaftliche Literatur darüber ist umfangreich. Kyle Harper aber fügt den
bisherigen Erkenntnissen überzeugende neue Gründe hinzu, die ganz offensichtlich zu
Recht in die künftige Gesamtbetrachtung einfließen sollten.
Das Werk des Professors für Altertumswissenschaften an der University of Oklahoma ist mit
dem Titel Fatum. Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches in der
deutschen Fassung unzureichend überschrieben, denn im Original wird auch das Wort
disease aufgeführt für Seuchen als zweiten Zweig von Harpers
interdisziplinärer Untersuchung.
Harper schlägt einen Bogen über rund 600 Jahre römischer Geschichte und liefert dazu
detaillierte Analysen auf dem neusten stand der Forschung. Danach hat der Aufstieg Roms im
sogenannten Römischen Klimaoptimum in den Jahrhunderten von etwa 200 vor Christus bis 150
nach Christus die absolute Blütezeit erreicht. Das phänomenale imperiale Projekt habe in
der Phase des Holozän-Klimas einen entscheidenden ungeahnten Verbündeten gehabt:
Die Sonne meinte es gut mit den Römern. Hinzu kam, dass in dieser Phase der
Erdgeschichte sämtliche große Vulkane schwiegen.
Während dann jedoch ab dem späten 2. Jahrhundert nach der Zeitenwende ein deutlicher
klimatischer klimatischer Umschwung zum Schlechteren eintrat, traf eine andere Keule das
Reich ungleich direkter und massiver: die Antoninische Pest, die ab dem Jahr
165 aus Mesopotamien eingeschleppt wurde. Vermutlich war es eine Pockenseuche, die
großflächig für eine erhebliche Entvölkerung im Reich sorgte. Der Gesundheitszustand
war nach neuesten Erkenntnissen ohnehin generell recht prekär im Römischen Reich mit
niedriger Lebenserwartung wegen schlechter hygienischer Verhältnisse vor allem in den
Städten wo zu den Hochzeiten des Imperiums 20 Prozent der Bevölkerung lebte
und einem allgemein schlechten Gesundheitszustand.
Zum Wesen des Imperiums gehörte, dass Handelsschranken systematisch herabgesetzt
wurden. Das glorreiche Zeitalter für den Handel gekoppelt mit der Verbreitung des
Militärs schuf eine antike Art der Globalisierung, die nun als Einfallstor für die
Seuche diente, die sich damit schnell zur vermutlich ersten Pandemie der Weltgeschichte
entwickelte.
Ähnlich heftig traf hundert Jahre später die sogenannte Cyprianische Pest,
doch nun war das Reich auch bereits von Folgen des Klimawandels geschwächt, die unter
anderem die Lebensmittelversorgung beeinträchtigte und sich bis zum Heraufziehen der
Spätantiken Kleinen Eiszeit mit Temperaturen um bis zu 2° Celsius unterm
normalen Jahresmittel verschlimmerte.
Es folgten nicht nur Misserneten und Wirtschaftskrisen, mit den Hunnen-Horden verwüsteten
die ersten Klimaflüchtlinge weite Teile des Reiches und erschütterten die Stabilität
des ausgedehnten Machtgefüges. Sie zogen erst Mitte des 5. Jahrhunderts aus einem eher
fatalen Grund wieder ab: Attilas Reiterheere wichen dem Schutzpanzer Roms aus
Krankheitserregern. Vermutlich ist die grassierende Malaria gemeint, der die Hunnen
samt ihren Pferden nichts entgegenzusetzen hatten.
Der Verfall Westroms das Imperium war bereits in Rom und Byzanz aufgeteilt
war dennoch nicht mehr aufzuhalten. Erschütterten einerseits einfallende fremde Völker
das erodierende Machtgefüge, läutete im 6. Jahrhundert zusätzlich die verheerende
Justinianische Pest, die Beulenpest mit Yersinia pesti als dem
tödlichsten Bakterium aller Zeiten, endgültig Verfall und Auflösung Roms ein.
Mit exzellenten anthropologischen, geologischen und medizinischen Analysen fügt Kyle
Harper den bekannten Fakten über Blüte und Untergang des Römischen Reiches gravierende
neue Aspekte hinzu. Sie sind nicht von der Hand zu weisen als maßgeblich mitursächlich
und man darf dieses ebenso fundierte wie auch für den interesierten Laien ungemein
fesselnde Sachbuch wohl als ein unverzichtbares zusätzliches Standardwerk zum Thema
Römisches Reich bezeichnen.
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