ANDREAS GÖTZ: WIR SIND DIE
WAHRHEIT
Die Zwillingsgeschwister Leah und Noah haben gerade das Abitur bestanden. Doch nun liegt
Noah auf der Intensivstation, nachdem ihn ein Rudel junger Männer im Dunkeln in der Nähe
eines Asylantenheims ins Koma geprügelt und getreten hat.
Die Beiden waren einander von jeher emotional eng verbunden, entsprechend bangt
Ich-Erzählerin Leah um ihren Bruder. Zugleich ist sie bestürzt, als Neonazis ihn zum
Märtyrer stilisieren und den Vorfall für üble Hetze nutzen. Damit beginnt der neue
Roman für junge Erwachsene von Andreas Göttz unter dem Titel Wir sind die
Wahrheit. Und es kommt noch schlimmer, denn auf Leahs Handy tauchen verwirrende
Videos auf.
Danach soll sich Noah den Faschos nicht nur angenähert haben, er hatte angeblich sogar
unter dem Decknamen Platon rechtsradikale Internetkommentare losgelassen von wegen
Multikulti ist Verrat am eigenen Volk. Leah kann es nicht glauben, denn beide
waren doch eher linksliberal gewesen und Noah hatte sogar in der Flüchtlingshilfe
mitgewirkt.
Verzweifelt versucht sie auf eigene Faust herauszufinden, was hinter den immer weiter
hereintrudelnden Videoaufzeichnungen jeweils von Noahs verschwundenem Handy
abgeschickt stecken könnte. Dabei stößt sie auf eine rechtsradikale Gruppe
junger Leute, die sich mit einem Reichsadler schmücken und Advocatus Diaboli
nennen. Ihr Anführer ist der junge Alexander Bornheim, attraktiv und charismatisch.
Mit vordergründig bestechender Logik bringt er als ebenso scharfzüngiger wie
geschmeidiger Agitator seine Tiraden von Freund oder Feind, vom Umgang mit
Volksverrätern vor und vor allem den Grundsatz Es kann nur eine
Wahrheit geben. Selbst Leah kommt mächtig ins Schwanken, zumal Alex sie sehr
persönlich und erfolgreich betört. Und auch seine noch radikalere Schwester und beider
wohlhabende Eltern tun alles, um die verunsicherte Leah zu vereinnahmen.
Bis sich alles zu einem makabren Schweigemarsch aufbauscht - mit einer Prise
Prise - zu Ehren Noahs im hehren Kampf gegen Überfremdung, in den Leah
von den zynischen Geschwistern hineingezogen wird. Und natürlich eskaliert das Alles dank
der sogenannten sozialen Medien, deren gefährliches Potential dabei eine große
unheilvolle Rolle spielt.
Bedrohlich schlüssig offenbaren sich hier die rechtsextremen Parolen und Argumente, so
dass es frösteln lässt, wie selbst eine Leah Mühe hat, einen klaren Kopf zu behalten.
Einziges Manko dieses ansonsten sehr fesselnd geschriebenen Romans ist die nicht
sonderlich jugendnahe Sprache. Was seine hohen übrigen Qualitäten aber durchaus
wettmachen.
Weshalb dieses Buch denn auch wärmstens für alle weiterführenden Schulen und jegliche
Teenager zu empfehlen ist, denn auf gelungene Art und Weise führt er vor, wie die
Demokratie untergraben wird, wenn sich Gruppieren zum Herren der einen Wahrheit
aufschwingen.
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