SINCLAIR McKAY: DIE NACHT, ALS
DAS FEUER KAM
Die verheerenden Bombenangriffe auf das wunderschöne barocke Dresden im Februar 1945
gelten als das schlimmste Fanal des Bombenkriegs auf dem europäischen Kriegsschauplatz.
In vier Wellen verwüsteten britische und US-Bomber die nahezu wehrlose Stadt und
hinterließen schätzungsweise 25.000 Tote.
Zum 75. Jahrestag der Zerstörung der als Elbflorenz gerühmten sächsischen Metropole hat
der renommierte britische Sachbuchautor Sinclair McKay eine große, intensiv recherchierte
Chronik herausgebracht. Die Nacht, als das Feuer kam. Dresden 1945 lautet der
Titel und der Autor eröffnet und schließt sein Buch mit Ausführungen über die Zeit vor
den Bombennächten und über die Nachkriegszeit.
Bei aller gebotenen Sachlichkeit versteht es McKay, die Ereignisse in der chronologischen
Abfolge höchst fesselnd darzulegen. So erfährt man über zahlreiche Augenzeugen von
damaligen Schülern und normalen Bürgern bis hin zu berühmten Namen wie dem des
jüdischen Philologieprofessors Viktor Klemperer und des späteren Kultautors Kurt
Vonnegut, in diesen Tagen asl Kriegsgefangener in der Stadt was sich im Alltag bis
dato tat. Aber sie sind dann auch direkte Zeugen des Grauens.
Doch auch die andere Seite erhält konkrete Stimmen. Die alliierten Luftstreitkräfte sind
längst zum strategischen Flächenbombardement übergegangen. Strategisch heißt
allerdings nicht mehr, sich auf direkte kriegswichtige Ziele wie Waffenschmieden und
Raffinerien zu konzentrieren. Sir Arthur Harris, der von manchen als rachsüchtiger
Bomber-Harris geschmähte Oberbefehlshaber, stand in Übereinstimmung mit Kriegspremier
Winston Churchill, ganz gezielt auch Demoralisierungsangriffe zu fliegen ohne
nennenswerten militärischen Nutzen, stattdessen in der Absicht, die Zivilbevölkerung
gegen das Nazi-Regime aufzuwiegeln.
Die Reihe solcher Angriffe war bereits lang mit spektakulären Maßnahmen wie der
Operation Gomorrha auf Hamburg oder den 1000-Bomberangriffen auf Köln. Harris war
überdies wütend über die sehr hohen Personalverluste bei seinen Bomberflotten. Für das
Ziel Dresden aber gab es überdies eine konkrete Anforderung seitens Stalins, dessen Rote
Armee trotz massiver Überlegenheit über die schwer gebeutelte Wehrmacht nicht recht
vorankam, und die sächsische Stadt galt als wichtiger Bahnknotenpunkt für die
militärische Versorgung.
Hier nun schwenkt der Autor auf ein ein bisher eher wenig beleuchtetes Thema ein: die
schwere Belastung der Flieger durch hohe Strapazen und allgegenwärtige Lebensgefahr. An
ganz konkreten Beispielen wird jedoch nicht nur der Einsatzalltag dargelegt, es gibt zudem
eindeutige Aussagen üebr die Einsatzvorbereitungen für Dresden. So erklärte Pilot
William Topper: Wir alle wussten, dass es eine schöne Stadt war. Aber auch, dass die
Stadt voller Flüchtlinge und Kunstschätze war.
Dann die beklemmenden Ausführungen der Ereignisse vom Februar 1945. Am 13. Februar um
22:03 Uhr griff die erste Welle mit 244 Lancaster-Bombern an, die in einer Viertelstunde
mit 900 Tonnen Bomben die gesamte Innenstadt in brand setzen. Die fatale Mischung als
schweren Sprengbomben und einem Regen von Brandbomben wirkt verheerend, doch nur Stunden
später setzen 529 weitere Bomber mit noch weitaus größerer Bombenlast das
Vernichtungswerk fort.
Mit kaum erträglicher Genauigkeit folgen nun wahre Schilderungen aus dem Inferno von
Feuerstürmen, die die Menschen in Dresden darunter unzählige Flüchtlinge aus dem
Osten zerfetzen, verbrennen und in glutheißen Luftschutzkellern ersticken lassen.
Dieses Inferno steigert sich jedoch noch am 14. Februar mit dem Tagesangriff von 300
US-Bombern mit 800 Tonnen Bomben aller Art und es endet erst mit dem nächsten
Tagesangriff, bei dem noch einmal US-Bomber die letzten Ruinen der Innenstadt
pulverisieren.
Sinclair McKay schildert nun jedoch nicht nur die Tage nach dem Untergang und was die
traumatisierten Überlebenden vorfanden. Er geht auch sachlich und objekltiv auf das
moralische Dilemma der Verantwortlichen ein. Da gab es auch bei den Alliierten Stimmen,
die von terror bombing sprachen. Und laut Haager Landkriegsordnung wäre jeder
Luftangriff auf eine quasi wehrlose Stadt ein Kriegsverbrechen gewesen schon
beginnend bei den Angriffen auf Guernica, Warschau und Rotterdam.
Tatsächlich war Dresden quasi entwaffnet, denn die Flugabwehrgeschütze waren zur
Ostfront abtransportiert worden und tatsächlich wurde das militärisch-strategische Ziel
der wirksamen Unterbrechung als kriegswichtiger Bahnknotenpunkt erst durch einen
US-Bomberangriff am 17. April erreicht. Im Übrigen äußerte sich Bomber-Harris später
zur Frage einer Schuld unmissverständlich: Hier möchte ich nur festhalten, dass
der Luftangriff auf Dresden damals als militärische Notwendigkeit angesehen wurde, und
zwar von viel wichtigeren Menschen als mir selbst.
Autor McKay jedenfalls findet eine gelungene Abwägung zu diesen komplexen Fragen. Auch
das macht dieses exzellent geschriebene Sachbuch zu einem alle wesentlichen Aspekte
umfassenden Standardwerk zum Thema, das seinesgleichen sucht.
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