PARAG KHANNA: UNSERE
ASIATISCHE ZUKUNFT
Der seit längerem prophezeite Epochenwandel vom Amerikanischen Zeitalter zum Asiatischen
ist längst voll im Gange. Wie sich die globale Rollenverteilung verändert und den Weg
dahin analysiert nun der Politikwissenschaftler Parag Khanna mit seinem Buch Unsere
asiatische Zukunft.
Der Autor ist ein US-Amerikaner indischer Abstammung, der in Singapur (die
inoffizielle Hauptstadt Asiens) an der National-Universität lehrt und u.a. als
Strategieberater für das Weltwirtschaftsforum wirkt. Gerade er als Asiate verstehe Asien
gewiss besser als ein Westler und das stellt er auf beeindruckende Weise mit dem
Auftaktkapitel Eine kurze Weltgeschichte aus der Sicht Asiens unter
Beweis.
Es sind große Reiche mit goldenen Zeitaltern und blühenden Hochkulturen, die weit vor
der christlichen Zeitrechnung ihren Ursprung hatten. Es war eine geschichte der Vielfalt
und es waren teils Reiche, die dem für die eurozentrische westliche Geschichtsschreibung
so herausragenden Römischen Reich durchaus ebenbürtig waren. Zudem gab es in Asien kein
finsteres Mittelalter und erst die Einmischung und der Aufstieg der
europäischen Kolonialmächte verschob ab dem 15. Jahrhundert die Gewichte nachhaltig.
Wo aber setzt der Experte den eigentlichen Startpunkt für den Übergang ins Asiatische
Zeitalter? Wie sich der Wandel vom Europäischen Zeitalter spätestens durch den
kriegsentscheidenden Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg aus asiatischer Sicht
übrigens als der große europäische Krieg bezeichnet zum
Amerikanischen Zeitalter vollzog, macht Khanna den bereits fortschreitenden Übergang zum
Asiatischen Zeitalter an einem Datum im Jahr 2017 fest.
Im Mai 2017 fand der erste Gipfel der Belt and Road Initiative statt und diese
BRI-Agenda mit dem Zeit der Neuen Seidenstraße wird der größte infrastrukturelle
Investitionsplan der Menschheitsgeschichte werden und die Weltordnung grundlegend
verändern. Dazu beachte man einige Daten: in Asien lebt zwei Drittel der Weltbevölkerung
und dieser geografische Raum , der von den Golf-Staaten und der Türkei bis hin zu Japan
und Australien reicht, umfasst die Hälfte des globalen BIP und generiert zwei Drittel des
weltweiten Wirtschaftswachstums.
Hinzu kommt die immer stärkere Asien-Ausrichtung Russlands, dessen Landfläche ohnehin zu
80 Porzent asiatisch ist. Russland entwickelt sich zur Kornkammer Asiens und nutzt die
Machtverschiebung zu seinem Vorteil, wogegen die USA bei der Neuen Seidenstraße quasi
außen vor sind. Unaufhaltsam auf dem Weg, beherrschend im neuen System zu werden, sind
die Asianomics, die teils deutlich anders funktionieren als die bisher
maßgeblich vom Westen dirigierte Weltwirtschaft.
Dazu gehört die fortschreitende Schwächung der US-Finanzmacht, wo zum Beispiel China und
Pakistan 2017 beschlossen, den sich derzeit auf jährlich 60 Milliarden Dollar belaufenden
Warenaustausch in ihren eigenen Währungen abzuwickeln. Hinzu kommen als Verknüpfung
außer dem Handel auch die Kultur und die Wissenschaft. Da ist die Annahme, Asien brauche
die USA, nicht nur überholt, die USA fallen in der Rangordnung nach Khannas Analyse sogar
hinter Europa auf Platz 3 zurück.
Und die weltliche Rangordnung werde nicht wiederkehren, zumal das neue Zeitalter
multipolar werde. Wobei der Westen hinsichtlich Chinas Rolle eine falsche Sichtweise habe:
Die Zukunft gehört Asien das gilt auch für China. Wobei die Weltmacht
aber kein Monolith sondern tief in das asiatische Wirtschaftssystem eingebettet sei.
Zu den interessantesten der vielen überraschenden Prognosen dieses überaus klugen und
sehr spannend zu lesenden Sachbuchs gehört der durchaus positive Ausblick für Europa
insbesondere als westlicher Endpunkt der Neuen Seidenstraße. Im Gegensatz zur Entwicklung
der USA als zunehmend unzuverlässiger Wirtschaftsmacht, die sich sich den aktuellen
Handelskrieg noch zusätzlich schwäche. Im Übrigen sei die bröckelnde Weltmacht von
grundlegenden Problemen belastet in Bereichen wie Bildung, Sicherheit, Gleichheit und dem
Gesundheitssystem.
Fazit: das Asiatische Zeitalter ist angebrochen und Parag Khanna ist nicht weniger
gelungen als ein sensationelles Standardwerk zu dem, was da vor sich geht, warum es sich
so entwickelt hat und was mit großer Wahrscheinlichkeit aus all dem zu erwarten ist.
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