LARS REICHARDT: BARBARA
Barbara Valentin (1940-2016) wurde als Barbara Ledersteger in Wien geboren und vielleicht
wurde ihr einiges vom später so vielfältig ausgelebten Talent schon die die Wiege
gelegt. Schließlich war der Vater Filmarchitekt und die Mutter Schauspielerin.
Ihr Künstlername war übrigens nicht erfunden sonderm vom späteren Stiefvater
übernommen. Im Gegensatz zu ihrem Sohn Lars Reichardt, der den Namen des zweiten
Ehemannes seiner Mutter trägt. Der renommierte Journalist war es schließlich auch, der
nach langen Recherchearbeiten das Wagnis einer Biografie anging. Barbara. Das
sonderbare Leben meiner Mutter Barbara Valentin lautet der Titel.
Kein leichtes Unterfangen, denn einseits steht hier die eigene Mutter im Mittelpunkt,
andererseits trug sie nicht von ungefähr Beinamen wie Busenwunder und
Skandalnudel. Reichardt wählte den Weg seines Berufes, die Annäherung quasi
von außen. Allerdings halfen ihm seine ganz persönlichen Insiderkenntnisse vieler
Lebensumstände seiner Mutter, vieles vom Tratsch und Klatsch nicht nur der sogenannten
Yellow-Press als erfunden zu entlarven.
Erst einmal erläutert er ihren Karrierestart, bei dem der gelernten Kosmetikerin in
Teenagertagen nicht nur ihre üppige Oberweite sondern vor allem ihre Ähnlichkeit mit der
US-Sexbombe Jayne Mansfield zu früher Beachtung verhalf. Ab 1959 drehte sie die ersten
von über 40 Filmen und führte ein von den Medien stets intensiv verfolgtes bewegtes
Leben mit etlichen tatsächlichen oder aufgebauschten Skandalen.
Die zweite Ehe mit dem Rechtsanwalt Ernst Reichardt scheitert unter anderem wegen ihrer
Affäre mit dem Schauspielkollegen Klaus Löwitsch zu einer Zeit, als aus der mäßig
ernst genommenen Aktrice mit körperbetontem Einsatz dank Rainer Werner Fassbinder eine
anerkannte ernsthafte Schauspielerin geworden ist. Und es kommt zur dritten Ehe mit dem
aufstrebenden Regisseur Helmut Dietl und der schillernden Zeit in München.
Zu der Sohn Lars aus eigenem Erleben fetstellt: Die Schickeria-Jahre sind
glückliche Jahre für Barbara. Doch es sind auch wilde Zeiten für die
Kettenraucherin, die immer wieder in Drogen- und Alkoholexzesse abstürzt. Während der
Autor einerseits so manche Banalitäten der Klatschmeldungen ad absurdum führt, macht er
aber keinen Hel daraus, dass seine Mutter sehr eigensinnig, raumfüllend und laut mit
einem Hang zu vulgären Ausfällen war.
Und natürlich spart der Chronist die etwas rätselhafte enge Beziehung zu dem ebenso
schüchternen wie charismatischen Queen-Frontmann Freddie Mercury nicht aus. Über Jahre
waren sie in den 80ern zusammen. Sie besuchte auch zahlreiche Konzerte weltweit, doch ob
es zwischen dem schwulen Künstler und der ihn mit 1,73 Metern überragenden und stets
sehr körperbetonten Powerfrau auch Sex gab? Es gibt Dinge, die fragt man seine
Mutter einfach nicht, lässt Reichardt dieses nicht wirklich wichtige Detail offen.
Fazit: diese Biografie berührt durch die Person des Autors auf besondere Weise mit ihrem
glaubhaften intimen Blick hinter die Kulissen. Zugleich offenbart sie auch viel
Interessantes aus der bundesrepublikanischen Vergangenheit, denn Barbara Valentin war seit
den späten 50er Jahren fast durchgehend eine sehr öffentliche Frau.
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