ELIZABETH BISHOP:
GEDICHTE
Elizabeth Bishop (1911-1979) war eine der wichtigsten Dichterinnen des 20. Jahrhunderts
und besonders bei Freunden angelsächsischer Lyrik war und ist die Frau aus Massachusetts
ausgesprochen populär.
Nach nur sporadischen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum liegt nun endlich
unter dem schlichten Titel Gedichte eine umfassende Kollektion vor. Sie
enthält die nur vier zu Lebzeiten erschienenen Gedichtbände der Künstlerin sowie einige
sonstige verstreut publizierte Gedichte. Trotz des relativ schmalen Werkes erfuhr Bishop
hohen Auszeichnungen, so 1956 den Pulitzer-Preis für North & South A
cold Spring und 1970 den National Book Award für The complete Poems.
Ihre schwierige Kindheit mit dem sehr früh verstorbenen Vater und der dauerhaft in die
Psychiatrie eingewiesenen Mutter, als das Mädchen gerade fünf Jahre alt war, wurde durch
das anschließende Hin und Her zwischen den Großeltern eher noch zusätzlich belastet.
Wohl auch deswegen schwankte sie als Dichterin ständig zwischen Statik und Bewegung,
stets von Verlustgedanken geprägt, die sich auch in ihren Gedichten niederschlugen.
Ruhelos reiste sie umher, verbrachte Jahre in Brasilien, wo sie ihre Homosexualität
unbeschwerter ausleben konnte. Und schuf eindringliche Gedichte von immer wieder
verblüffenden Bilderwelten. Sie war eine Sprachmagierin, deren Traurigkeit mit präzisen
Worten daherkam, die faszinierende Formeln für ihre Sehnsüchte fand. Mit großer Liebe
zum Detail aber auch zur Distanz feilte sie zuweilen jahrelang an einzelnen Werken, ließ
Strenge und Präzision walten und schuf dabei winzige funkelnde Momente der Schönheit.
Natürlich setzt eine solche fragile Vollendung von Lyrik höchste Anforderungen, will man
sie für eine zweisprachige Fassung übertragen. Und hier enttäuscht das ansonsten so
schön aufgemachte meisterhafte Kompendium zuweilen arg. So hervorragend Steffen Popps
Nachwort und Anmerkungen auch gestaltet hat, lässt ausgerechnet als in eigener Sache
gerühmter Lyriker hier nicht nur des öfteren lyrisches Feingefühl vermissen, es finden
sich sogar immer wieder teils unerklärliche Fehler.
Da heißt es in The Monument zum Beispiel or far away on even drier
soil, woraus Popp in noch trockener Erde macht, obwohl es ganz
offensichtlich auf noch trockeneren Boden heißen muss. Und warum macht er in
Florida aus friendliness ein irreführendes Zutrauen,
wo Freundlichkeit oder Wohlwollen adäquate Übersetzungen wären? Hinzu kommen direkte
grammatische Fehlgriffe, wenn aus his ihre statt seine
wird.
Mindestens so ärgerlich aber sind Übertragungen, die quasi aus Ballettschuhen
Holzpantinen machen, wenn in Quai d'Orleans aus white light und nervous
water hold their interviews ein stumpfes bürokratisches ihr Gespräch
führen statt das viel angemessenere ihr Zwiegespräch führen die
Eleganz der Zeilen trübt. Und um eine besonders bedauerliche Sünde wider die
vielgerühmte Schönheit des Originals zu nennen, die ausgerechnet eines ihrer
Hauptgedichte betrifft: Invitation to Miss Marianne Moore, die sehnsüchtige
Bitte an ihre große Mentorin, sie zu besuchen.
Immer wieder heißt es da eindringlich please come flying und bei Steffen Popp
wird statt eines emotional nachzuempfindenden bitte eile herbei eine Floskel
in plumpem Schülerenglisch: komm bitte, fliegend.
So helfen diese Übertragungen wohl vorrangig nur als bessere Hilfen zum Verstehen der
Originale, wenn man die eine oder andere Vokabel nicht parat steht. Dennoch werden nicht
nur Lyrikfreunde sich mit hohem Genuss in die großartigen dieser bei uns viel zu wenig
gewürdigten Dichterin vertiefen. Im Übrigen umfasst auch dieses Buch noch nicht alle
Werke Bishops, so dass vielleicht auf weitere Veröffentlichungen zu hoffen ist.
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