LISA BRENNAN-JOBS:
BEIFANG
Steve Jobs (1955-2011) war ein schwieriges, widersprüchliches Genie. Gleichwohl machte
ihn spätestens die weltweit erfolgreiche Biografie von Walter Isaacson zu einer
vielbewunderten Legende. Woran auch seine Ehefrau und die drei Kinder mitgewirkt hatten.
Doch es gab ja noch ein viertes Kind, die älteste, unehelich geborene und gern
verschwiegene Tochter. Und dieses 1978 geborene Lisa Brennan-Jobs enttarnt das Denkmal des
Apple-Gründers und zeigt Seiten an ihm, die noch dunkler sind, als von seinen Gegnern
behauptet. Unter dem Titel Beifang hat sie nun eine Autobiografie
herausgebracht, die schon damit die tiefen Verletzungen der Tochter andeutet, denn Beifang
oder im Original Small Fry - bezeichnet beim Fischfang die kleinen
unbedeutenden Fische, derer man sich meist gleich wieder entledigt.
Wenn der der Untertitel dieser Memoiren auf Eine Kindheit wie ein Roman
hinweist, darf man jedenfalls keine schöne freundliche Geschichte erwarten. Als Lisa
geboren wird, sind der Computer-Nerd und die Hippie-Mutter Chrisann Brennan schon nicht
mehr zusammen. Als er sie jedoch wenige Tage später besucht, bestreitet er sogar seine
Vaterschaft. Und die unstete Mutter, die sich als wenig erfolgreiche Künstlerin mühsam
mit dem Kind durchs Leben kämpft, erhält erst bescheidenen Unterhalt, nachdem sie einen
positiven Vaterschaftstest erzwungen hat.
Die mageren 385 Dollar plus Krankenkassenbeitrag, die Jobs nun zahlte, während er dank
Apple reich wird, stockte er auf monatliche 500 Dollar auf, als durch seinen Börsengang
zum hundertfachen Millionär aufsteigt. Persönlich widmet er sich der Tochter erst, als
sie bereits sieben war. Doch das Kind, das mit der sehr unausgeglichenen und überlasteten
Mutter oft genug Schwierigkeiten hat und sich nach der Liebe des Vaters sehnt, erlebt mit
ihm Wechselbäder der Gefühle.
Mal fährt er mit Porsche vor, um sie zum Rollschuhlaufen abzuholen, dann wieder
erkläört er ihr auf Fragen nach dem schönen Auto barsch, dass sie gar nichts von ihm
bekommen werde. Und als er sie dann eine seine richtige Familie samt der drei
ehelichen Kinder holt, schüttet er sogleich Gift in ihre Freude: sie bleibt eine
Randfigur, darf in der Küche helfen und Babysitter für den jüngsten Halbbruder spielen.
Hinzu kommen immer wieder abweisende oder verletzende Bemerkungen des Vielbeschäftigten,
wie sie allerdings auch anderweitig von dem brillanten Visionär bekannt sind.
Es nützt der Heranwachsenden auch nicht viel zu wissen, dass der spröde abweisende Vater
selbst ein Adoptivkind ist, das sich offenbar ebenfalls als ungeliebt empfand. So ist
Lisas Bitternis verständlich, dass er erst auf dem Sterbebett sein Bedauern bekennt,
nicht mehr Zeit mit ihr verbracht zu haben. Wenn dann sein letzter ihr geltender Satz
tatsächlich lautete: Du hast etwas gut bei mir, hat das einen geradezu
zynischen Beigeschmack.
Natürlich sind diese Schilderungen einer außergewöhnlichen Kindheit und Jugend sehr
subjektiv und nicht jedes Zitat insbesondere aus den frühen Jahren dürfte exakt so
gefallen sein. Gleichwohl fesseln diese Ausführungen gerade, weil sie andere Seiten einer
durchaus zu Recht als Guru verehrten Persönlichkeit entblößen, die diese menschlicher
aber eben auch um einiges weniger sympathisch erscheinen lassen.
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