MICHAEL ENDE/WIELAND FREUND:
"RODRIGO RAUBEIN UND KNIRPS, SEIN KNAPPE"
Kaum zu glauben aber wahr: es gibt Neues vom großen Meister der fantastischen
Märchenabenteuer Michael Ende (1929-1995): ?Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe?.
Allerdings stimmt das nicht ganz, denn Ende hatte einst mit drei völlig typisch für
seine Erzählweise verfassten Kapiteln den Grundstock für diese Geschichte gelegt, sie
jedoch nie zuende gebracht, so dass sie lediglich als Fragment 1998 in der Textsammlung
?Der Niemandsgarten? erschien.
Nun aber hat sich mit Wieland Freund ein Bewunderer des Bestsellerautors an die Vollendung
der Geschichte gewagt, der selbst längst ein preisgekrönter Autor erfolgreicher
Kinderbücher ist. Er schuf aus der so spannenden Einleitung ein Ganzes, das man durchaus
als kongenial bezeichnen kann.
Endes Einstieg drehte sich einen Puppenspielerwagen, der in einer Gewitternacht im
Mittelalter umkippt. Mit ihm reisen Mama und Papa Dick und ihr abenteuerlustiger Sohn
Hastrubel Anaximander Chrysostomos, von jedermann sinnvoller weise einfach ?Knirps?
genannt. Im Wagen befinden sich außer Papagei Sokrates vor allem auch zahlreiche
Marionettenpuppen vom alten König, vielen Rittern und einem Zauberer bis hin zu
Prinzessin.
Das Unglück passiert nicht weit vom Bangewald und hier nun setzt Wieland Freunds
spannende Fortführung ein, denn dort sieht Knirps seine Chance gekommen. Überzeugt
davon, dass ein richtiger Raubritter in ihm steckt, weiß er von der nahen Burg des
gefürchteten Raubritters Rodrigo Raubein. Aber wie so oft bei Michael Ende, habe auch
hier die Figuren einen doppelten Boden und Dinge sind oft ganz anders als angenommen.
So auch der Hüne mit dem struppigen Vollbart, über den es die wildesten Gerüchte gab.
Aber: ?Er hatte das Aussehen eines bösen Fleischerhundes und die Seele eines
Gänseblümchens.? Seinen schlechten Ruf hatte er sich bewusst mit furchtbaren
Erzählungen aufgebauscht, um ? in Ruhe gelassen zu werden.
Da droht dieser lästige Knabe, der von ihm zum Knappen gemacht werden will, sein schönes
gemütliches Lügengebäude zu gefährden. Also schickt er ihn erst einmal fort, um eine
Mutprobe zu bestehen. Bei der der stets furchtlose Knirps glatt eine echte Prinzessin
entführt, wenngleich ihm diese Filippa Annegunde Rosa erst selbst auf diese Idee bringen
muss.
Wobei beide nicht ahnen, dass es da einen Zauberer namens Rabanus Rochus gibt, der zur
selben zeit vorhat, die Prinzessin zu rauben, und sein geheimer Drache Wak soll dabei
helfen. Und dann wäre noch der Onkel der Prinzessin zu erwähnen, der ein entsetzlich
lustloser König ist, sowie allerlei sonstige Figuren, die diese Geschichte auf witzige
Weise bevölkern.
Wieland Freund spielt hier gekonnt auch mit der kindlichen Faszination des Bösen und
nicht erst beim Happyend spürt man, wie kongenial die Fortsetzung der Grundidee gelungen
ist. ?Rodrigo Raubein? hat alle Qualiäten für einen weiteren Kinderbuchklassiker unter
dem Namen Ende, aber auch unter dem von Freund.
Vollends zu einem großartigen Lesevergnügen für kleine Leser ab 6 Jahre wird das Buch
zudem durch die lustigen farbenfrohen Illustrationen von Regina Kehn, die bereits zuvor
und noch zu Lebzeiten Michael Endes für diesen arbeitete.
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