CHRISTIAN MÄHR: DER JÜNGSTE
TAG DES PETER GOTTLIEB
Christian Mähr und die Apokalypse, das war irgendwie überfällig bei diesem Meister der
skurrilen Spannungsromane mit dem sehr eigenen österreichischen Schmäh. Dabei fängt es
fast normal an, als der etwas heruntergekommene Buchhändler Peter Gottlieb nächtens auf
einer Waldstraße plötzlich einen Mann vor sich hat und ihn umfährt.
Obwohl sich der gegen jede Wahrscheinlichkeit unbeschadet wieder aufrappelt und um die
Mitnahme ins nahe Dorf Holzgarten bittet, kann Gottlieb wirklich nicht ahnen, welcher
Irrsinn soeben begonnen hat. Aber schließlich lautet der Titel der Geschichte Der
Jüngste Tag des Peter Gottlieb und das verheißt zumindest für den Leser
viel Gutes.
Gottlieb ist in das Kaff gekommen, weil ihm ein Onkel den ehemaligen Gasthof
Lamm vererbt hat. Mit der Auflage, dort auch zu wohnen. Er hat bereits mit der
Herrichtung begonnen und bewohnt das Haus, Frau Hildegard aber schützt noch Krankheit als
Grund vor, nicht in die Provinz nachzuziehen. Am Tag nach dem Unfall geht Gottlieb nun mit
schlechtem Gewissen zur Polizei, um diesen zu melden. Revierinspektor Stieger wird zwar
dienstlich, mangels einer Verletztenmeldung aber stellt er fest: es bestand kein
Anlass für eiliges Handeln.
Lukas Hildmeyer jedoch, der Angefahrene, erscheint im Lamm und erklärt
Gottlieb, dass er ein Auferstandener sei, der Vorgang selbst sei enttäuschend
belanglos gewesen. Stieger aber lässt aus einem Gefühl heraus Hildmeyers Fingerabdrücke
überprüfen und der alte Gauner ist aktenkundig, allerdings bereits 1975
verstorben. Doch es bleibt nicht bei dem einen Auferstandenen und selbst Gottliebs
Jugendliebe Renate taucht als solche auf.
Die abtrünnige Ehefrau Hildegard dagegen schaltet derweil den überaus charismatischen
Psychiater und Juristen Dr. Alexandros Kategoros-Korowjew ein, um Gottlieb loszuwerden.
Der Wissenschaftler eilt nun umgehend unter Angabe dubioser Gründe nach Holzgarten. Und
so setzt sich die bei Christian Mähr gewohnt hinreißende Rekrutierung allerlei schrägen
Personals fort und versammelt ein aberwitziges Panoptikum.
Da steigen nicht nur weitere Verstorbene aus ihren Gräbern als normale
Auferstanden wohlgemerkt, nicht etwa als Zombies aus einem Gruselfilm. Als Revierinspektor
Stieger dann von seinem Intimfeind Bechthold erschlagen wird, macht er sogleich als
Wiederauferstandener mit seinen Ermittlungen weiter. Dann kommt die Nacht mit dem
überdimensionalen Nordlicht, das alles Elektrische lahmlegt. Vorübergehend jedenfalls.
Und es steht fest: das Jüngste Gericht tagt! Im ehemaligen Gasthof Lamm mit
Gottlieb als gastgebendem Wirt. Im 4000-Seelennest Holzgarten? In einem solchen Schuppen?
Warum nicht?! Und dann erscheint auch der Vorsitzende: der HERR im Erstes-Jahrhundert-
Nahost-Festtagsoutfit sehr hochgestellter Persönlichkeiten, spaziert über den See,
trinkt auf dem Seefest während der Gerichtspause Alkohol und fährt Karussell. Das Reden
jedoch lässt er durch Stieger erledigen.
Natürlich kommt es zu einer kleinen Form der Speisung der 5000 und so manch Biblisches
ist hinreißend eingebaut. Als großer Katalysator aber spielt sich bei all dem der
hochmögende Doppel-Doktor auf und nicht zu Unrecht wird gemunkelt, er sei der,
dessen Name nicht genannt wird. Mag es auch zuweilen etwas arg ausufernde
innere Dialoge geben, kann man diese verrückte Achterbahnfahrt einfach nicht mehr
verlassen, denn der Autor sprüht vor überschäumenden schrägen Ideen.
Mit geschliffenen Dialogen, mancher Situationskomik und tiefschwarzem Humor läuft dieser
Roman zu hochintelligentem absurdem Theater auf und man kann abschließend nur begeistert
fordern: das muss verfilmt werden. Da hört und sieht man den Josef Hader regelrecht in
einer Paraderolle als Peter Gottlieb.
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