JAN RÜGER: HELGOLAND
Helgoland ist Deutschlands einzige Hochseeinsel und misst ganze 1,6 Quadratmeter Fläche.
Doch was heute ein beliebter Touristenort samt kleinem Naturschutzgebiet ist, hat eine
bewegte Geschichte hinter sich und spielte mehrfach eine wichtige strategische Rolle in
kriegerischen Auseinandersetzungen.
Jan Rüger, deutscher Professor für Geschichte am Birkbeck College der University of
London, hat sich der Historie dieses sturmumtosten Eilands seit den Tagen gewidmet, als
die Briten 1807 die Insel übernahmen. Helgoland. Deutschland, England und ein
Felsen in der Nordsee lautet der Titel und der führt für den Anfang ein wenig in
die Irre.
Als die Briten den bis dahin herrschenden Dänen Helgoland entrissen, richtet sich das
Interesse nämlich gegen Napoleon Bonaparte. Der hatte soeben Preußen vernichtend
geschlagen und man fürchtete um die Neutralität des flottenstarken Dänemark, da
Napoleon ins nördliche Deutschland vorrückte. Vor allem aber wurde die Insel nun eine
wertvolle Bastion gegen Napoleon, von der aus man dessen Kontinentalsperre durch Schmuggel
und Spionage unterlaufen konnte.
Nach dem Fall des Franzosenkaisers folgten lukrative Jahre für die sehr
unabhängigkeitsbewussten Insulaner, die nach intensivem Handel ab 1826 auch den Wert als
Seebad für sich entdeckten. Und der Tourismus brachte illustre Gäste und es entbehrt
nicht einer gewissen Ironie, dass unter all den Künstlern auch Hoffmann von Fallersleben
hier weilte, der auf dieser britischen Insel den Text für das Lied der
Deutschen schrieb.
Historiker Rüger führt auf sehr unterhaltsame Weise in das Inselleben ein, das zu keiner
Zeit richtig englisch oder richtig deutsch war. Die Insulaner konnten sogar selbst ihre
Nationalität wählen. Das blieb dann auch so, als sich ein Geschäft anbahnte, das das
Vereinigte Königreich später sehr bereute.
Um 1873 hatte Reichskanzler Otto von Bismarck erstmals erwähnt, dass die Insel in der
deutschen Interessensphäre liege. Und bis 1890 kam es tatsächlich zum sogenannten
Interessenausgleich, der zum Tausch Helgolands gegen die vom Deutschen Reich besetzte
ostafrikanische Insel Sansibar führte. Im August 1890 nahm Kaiser Wilhelm II.
höchstpersönlich Helgoland in Besitz und dieser Sommer war gekennzeichnet vom Höhepunkt
der englisch-deutschen Beziehungen.
Um so mehr wurde die Insel im Ersten Weltkrieg zum Stachel im Fleische der britischen
Seemacht und es wurden sogar teils abstruse Invasionspläne gegen diesen zur schweren
Festung ausgebauten Brückenkopf für die Herrschaft über die Nordsee
ausbaldowert. Der Entmilitarisierung nach dem Ersten Weltkrieg folgte dann im Dritten
Reich die erneute, noch stärkere Befestigung.
Doch Rüger vergisst bei all den historischen und militärischen Vorgängen auch nicht die
Insulaner, denen die regionale Zugehörigkeit zumeist wichtiger war als eine staatliche.
Immerhin mussten immer wieder in starkem Maße sie die Zeche zahlen. Vor allem, als die
Briten im April 1947 auf der evakuierten Insel ein symbolisches Fanal setzten: Hitlers
Seefestung sollte mit einem Big Bang endgültig eliminiert werden.
Doch der rote Felsen in der Nordsee war ähnlich widerborstig wie die Insulaner und
widerstand 6.700 Tonnen Sprengstoff , der größten nicht-atomaren Explosion aller Zeiten.
Als die Briten Helgoland 1952 an die Bundesrepublik zurückgaben, setzte langsam eine
neue, diesmal ungebrochen friedliche Blüte ein.
Jan Rüger erzählt das Alles nicht nur überaus fesselnd, er legt damit auch erstmals
eine Gesamtgeschichte Helgolands mit manchen bisher kaum bekannten Details vor. Fazit: ein
großartiger Geschichtsunterricht der besonderen Art.
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