MIKE UNWIN/DAVID TIPLING:
EULEN
Eulen gehören seit den Frühzeiten des Menschen zu den faszinierendsten Geschöpfen auf
der Welt. Die lautlosen Nachtjäger mit dem eindringlichen, furchterregenden Blick und den
tödlichen Klauen sorgten für Mythen und Mutmaßungen von der Weisheit bis zum bösen
Omen.
Ihre Erforschung ist kompliziert und erfordert außerordentlich viel Geduld und
Erfindungsreichtum. Um so mehr Hochachtung verdient der opulente Textbildband
Eulen, den der preisgekrönte Reiseschriftsteller Mike Unwin und der
wiederholt von der BBC als Wildlife Photographer of the Year ausgezeichnete Naturfotograf
David Tipling jetzt vorgelegt haben. Die beiden Briten fesseln mit ebenso fundierten wie
spannend geschriebenen Texten sowie mit der Fülle von 200 einzigartigen farbigen
Bildaufnahmen.
Eingangs lernt man, dass es zwei Familien gibt, die Schleiereulen und die Eigentlichen
Eulen, die mit rund 250 Arten eine enorme Vielfalt aufweisen. Die reicht vom 40 Gramm
leichten Elfenkauz bis zum fast fünf Kilogramm schweren Uhu, der es an Größe und Kraft
leicht mit einem Adler aufnehmen kann. Und das auch zuweilen tut, denn andere Raubvögel
sind eine durchaus willkommene Beute.
Verwandt sind die Eulenvögel übrigens nicht mit den tagaktiven Greifvögeln, wenngleich
etwa drei Prozent der Eulen selbst tagaktive Arten sind. Zu ihnen gehört zum Beispiel die
ungewöhnliche Art der südafrikanischen Bindenfischeule, die sich tatsächlich fast
ausschließlich von Fisch ernährt. Insgesamt stellen die Autoren 35 Eulenarten mit
ausführlichen Beschreibungen und immer wieder hinreißenden Fotos vor.
Abgesehen von der Antarktis leben Eulen auf allen Erdteilen und entsprechend gehen die
Kapitel auf die Kontinente sowie die Inselwelt ein. Wobei eines alle Eulen eint: die
speziellen physischen Eigenschaften, die weit über die geradezu gespenstisch anmutenden
lautlosen Flugeigenschaften auf den bis zu zwei Metern Flügelspannweite einzelner
Uhu-Arten weit hinausgehen.
Das wahrhaft Magische am Anblick von Eulen sind seit jeher diese beängstigend fixierenden
Augen. Die im Übrigen extrem gut sehen, aber starr im Gesicht sind. Für die
außergewöhnlich weitreichende Sicht sorgt jedoch die Fähigkeit, den Kopf bis zu 270°
zu drehen. Da diese Augen in einem tellerartigen Gesicht nach vorn gerichtet sind,
ermöglichen sie ein binokulares Sehen.
Kaum glaublich, aber wahr: diese scharfen Augen werden noch vom Gehör überboten. Hier
hilft nicht nur die Gesichtsform, sondern auch die asymmetrische Platzierung der Ohren
die sichtbaren Ohren mancher Arten sind übrigen nur Federn! - die eine Art
Schallortung ermöglicht. So kann eine Eule zum Beispiel hoch oben im Baum sitzen und
stürzt sich plötzlich absolut zielsicher auf ein Säugetier tief unter ihr und verborgen
unter einer dichten Schneedecke.
Die eigentliche tödliche Waffe sind dann die langen scharfen Krallen, denn Eulen haben
außerordentlich viel Kraft in ihren Klauen. So können die des über zwei Kilogramm
schweren Virginia-Uhus ähnlich druckvoll zupacken wie der Biss eines Rottweilers. Die im
Allgemeinen standorttreuen Raubvögel weisen im Übrigen auch bei ihren legendären und
oft unheimlich wirkenden Rufen eine enorme Vielfalt auf.
Fazit: dieses Werk ist das Non-plus-Ultra eines Naturbuchs und widmet sich auf
unübertreffliche Weise der vermutlich faszinierendsten aller Tierarten.
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