MARGARET ATWOOD: AUS NEUGIER
UND LEIDENSCHAFT
Margaret Atwood erhielt in diesem Jahr nicht nur den Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels, mit Das Herz kommt zuletzt und Hexensaat hatte sie
außerdem mit gleich zwei neuen Romanen Erfolg.
Noch faszinierender aber ist, dass die große alte Dame der kanadischen Literatur mit
ihrem berühmtesten Roman Der Report der Magd von 1985 erneut Furore macht.
Die düstere Dystopie eines theokratischen USA-Nachfolgestaates erscheint gerade in den
Trump-Tagen auf den Bestsellerlisten und die gleichnamige TV-Serie räumt Preise ab.
So viel Aktualität dieser immer noch hellwachen und hellsichtigen 1939 geborenen Autorin
hat nun endlich dafür gesorgt, dass auch hier ihr Essay-Band Aus Neugier und
Leidenschaft aus dem Jahr 2005 erschienen ist. Literaturkritiken, politische
Aufsätze, Festreden Nachrufe und Rezensionen aus mehreren Jahrzehnten sind hier
versammelt und stets mit diesem so hochgeschätzten intelligenten und geschliffenen Stil,
der oft genug vor trockenem bis schwarzem Humor funkelt.
Doch die Tochter eines Insektenforschers scheut auch nicht die Selbstironie, wie diese
Ansammlung ohnehin stark autobiografische Züge trägt. Interessant erweisen sich da
einige Rezensionen, wobei sie bekennt, dass sie eine solche ablehnt, wenn ihr ein Buch
nicht gefällt. Zugleich erfährt man von manchen Vorlieben zum Beispiel für Virginia
Woolf und Hilary Mantel. Und für den 1984-Autor George Orwell, wobei sie sich
selbst nicht nur mit dem Report der Magd ebenfalls in die Sphären der
zeitlosen dystopischen Kultautoren wie er und Aldous Huxley geschrieben hat.
Gerade die Entstehungsgeschichte ihres Opus Magnum gehört zu den spannendsten Kapiteln
dieses Sammelbandes. Welche Rolle Orwell und eine Reise nach Afghanistan sowie der Erwerb
einer Burka auf einem dortigen Markt spielten, das liest sich ähnlich hinreißend wie
ihre frühen Erinnerungen an das Literaturangebot in ihrer Heimat. Da schien es eine
eigene kanadische Literatur gar nicht zu geben was sich bekanntlich längst auch
dank ihrer über 50 literarischen Werke grundlegend geändert hat.
Ihren süffisanten Sinn für Satire wiederum stellt sie besonders eindrucksvoll bei ihren
Kritiken zu zwei Erzählungen von Thomas King unter Beweis. Wie da Indianer und Eskimos
mit just dem Humor, den der weiße Mann den Ureinwohnern schlichtweg als nicht vorhanden
abspricht, die Großartigkeit der neuen Herren bis hin zur biblischen
Schöpfungsgeschichte auf die Schippe nimmt, das ist einfach prickelnd.
Aber auch weltanschauliche Meinungsäußerungen, ihre Leidenschaft für ökologische
Themen und vieles mehr bescheren hier ein außerordentlich reiches und unterhaltsames
Lesevergnügen auf höchstem Niveau.
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