INGRID NOLL: HALALI
Außer Krimis nun auch noch ein Spionageroman aus der Feder von Ingrid Noll?! Nicht so
ganz, obwohl es Spione und natürlich auch ein paar nicht-natürliche Todesfälle in
Halali gibt. Insgesamt aber erzählt die inzwischen 82-jährige Königin der
hintersinnigen Schmunzelkrimis vor allem aus dem Kosmos eigener Erinnerungen an ihre
Studentenzeit im Bonn der 50er Jahre.
Ich-Erzählerin ist hier Holda, die wie die Autorin in der Hauptstadt der damaligen
Bundesrepublik erstmals auf eigenen Füßen steht. Sie erzählt ihrer 20-jährigen Enkelin
Laura, wie subtil spannend es da zuging, obwohl doch alles so brav, spießig und
ordentlich wirkte. Mit 20 konnte Holda aus ihrem Eifelkaff in die Stadt ziehen. Zwar
bewohnt sie nur ein karg möbliertes Zimmer in Bad Godesberg, hat aber immerhin einen Job
als Stenotypistin im Innenministerium.
Wichtig wird dann die bald sehr enge Freundschaft zu der couragierten Kollegin Karin. Als
Flüchtlingskind aus Ostpreußen gekommen, findet sie Unterschlupf in einer Dachkammer der
Stadtvilla ihrer adeligen Tante. Auf Karins Anraten vermietet die Gräfin bald vier Zimmer
an sogenannte möblierte Herren. Einen von ihnen kennen Karin und Holda
bereits aus dem Ministerium, den steifen Regierungsrat Burkhard Jäger.
Als die Beiden mal wieder den Hund von Holdas Wirtin ausführen, stolpern sie im
verwilderten Gelände in Plittersdorf regelrecht über einen viel zu niedrig hängenden
Starenkasten: ein toter Briefkasten, der auch tatsächlich eine Botschaft
enthält. Woraufhin die Beiden an dem darin angegebenen 22. Juli am Treffpunkt
ausgerechnet ihren Herrn Jäger bei einem konspirativen Gespräch beobachten. Die flotte
Karin hat inzwischen ein Verhältnis zum Mitbewohner Jupp und der hilft ihnen heimlich,
das Zimmer Jägers zu inspizieren. Und sie finden Verdächtiges.
Bald darauf kommt es zu einer heiklen Begegnung der jungen Frauen mit Jäger, den sie als
Agenten der Stasi entlarven wollen. Die Eskalation endet überraschend letal und die
Beiden beseitigen seinen Leichnam per Brandbestattung im Wald. Und werden prompt umgehend
von einem heimlichen Beobachter erpresst, geheime Dokumente zu beschaffen.
Die beiden ebenso naiven und forschen Amateuragentinnen wollen aber nicht zu
Landesverrätern werden und liefern eine Kopie des echten Dokuments über die Gründung
der Euratom mit dreist gefälschten Angaben über eine Atom-Ubootflotte der NATO. Eines
gibt das andere und Herr Jäger bleibt nicht der einzige gewaltsam Verblichene. Es bleibt
ziemlich spannend und die freundliche alte Dame sonnt sich in ihren Erinnerungen an
aufregende Jugenderlebnisse: Deine Oma war die Mata Hari des Kalten Krieges!
Ein knallharter Spionageroman ist das ganz und gar nicht, aber sehr originell und von den
Beschreibungen des Treibens der vom Osten auf weibliche Ministerialangestellte angesetzten
Romeos her sehr realitätsnah. Vor allem aber macht das gelungene Zeit- und
Lokalkolorit den Esprit dieses Romans aus. Fazit: amüsant, originell und zugleich
authentisch.
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