ADAM ZAMOYSKI: PHANTOME DES
TERRORS
Wenn ich fort bin, wird die Revolution oder vielmehr die Ideen, die sie
inspirierten ihr Werk mit erneuter Kraft fortsetzen. Dieses Menetekel
Napoleons nach dessen endgültiger Verbannung 1815 sollte eine ganze Ära prägen, denn
diejenigen, die den Kaiser der Franzosen besiegt und eine neue Weltordnung geschaffen
hatten, lebten fortan genau in der Angst davor.
Wie die Herrschenden und die Besitzenden dieses Zeitalter höchster Besorgnis um die
Bestandswahrung gestalteten, ist Thema von Adam Zamoyskis neuem großen Sachbuch
Phantome des Terrors. Der polnisch-britische Historiker schließt zeitlich
unmittelbar an seine Welterfolge 1812 und 1815 an und widmet sich
den folgenden Jahrzehnten der Restauration, deren zentraler Akteur der österreichische
Spitzenpolitiker Klemens Fürst von Metternich war. So heißt der Untertitel denn auch
Die Angst vor der Revolution und die Unterdrückung der Freiheit. 1789
1848.
Hatte man auf dem Wiener Kongress auch die Welt neu geordnet und eine Friedensordnung
durch die Heilige Allianz von Russland, Österreich und Preußen geschmiedet,
so zitterten die Potentaten vor dem Aufblühen von liberalem Gedankengut und
revolutionären Freiheitsideen. Das war der Nährboden reaktionärer Daumenschrauben gegen
jede Störung der öffentlichen Ordnung. So schuf alle voran Metternich ein Spitzelsystem
zur Überwachung und Unterdrückung jeglicher Abweichungen.
Aus dem Verfolgungswahn entstanden krakenhafte Polizei- und Geheimdienstapparate und
Metternichs Karlsbader Beschlüsse standen 1819 am Beginn einer Epoche von
Pressezensur und strengen Kontrollen an den Universitäten. Es entstanden
Repressionsorganisationen wie das Mainzer Informationsbüro oder die
Mailänder Beobachtungsanstalt, doch auch das Zarenreich installierte
Inlandsgeheimdienste und im restaurierten Königreich Frankreich sollen es sogar vier
gewesen sein.
Dort aber mutmaßten die Verschwörungstheoretiker dieser Zeit auch einen geheimen
Lenkungsausschuss, comité central directeur genannt, der eine neue Revolution
anfachen wollte und das diesmal in ganz Europa. Belege gab und gibt es dazu bis heute
nicht, der Verdacht allein jedoch reichte aus für einen Geist der Paranoia, der zur
Geburt des Überwachungsstaates führte. Die Ironie der Geschichte entlarvt Zamoyski mit
einem geradezu genüsslichen Blick auf die Aktivitäten, die all die Repressionsmaßnahmen
mit sich brachten.
Vor allem aber macht er deutlich, wie Polizeistaat und Repression das Gegenteil bewirkten.
Schon 1830 beendete die Juli-Revolution die wiedereingesetzte Bourbonen-Dynastie. Doch
auch in mehreren deutschen Ländern und schließlich 1848 nach Paris und Berlin schlug der
Geist der Revolution selbst in Wien derartig zu, dass der allmächtige stolze
Polizeiminister Metternich ins Exil flüchten musste. Gewissermaßen schlugen nun eben
jene Phantome zu, die die repressiven Kräfte selbst zweckdienlich erfunden hatten.
Erneut brilliert Zamoyski hier mit seiner ebenso wissenschaftlich hochkarätigen wie sehr
unterhaltsamen Art der Schilderung von Ereignissen, Zusammenhängen und ihren
Protagonisten. Das Ringen der Kräfte der Reaktion mit den liberalen Bewegungen
dieses Sachbuch ist nicht weniger als das Standardwerk zu dieser folgenreichen
Geschichtsepoche Europas.
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