MARTIN BOSSENBROEK: TOD AM
KAP
Als am 31. Mai 1902 Vertreter des British Empire sowie der ehemaligen Republiken Transvall
und Oranjefreistaat in Vereeniging bei Johannesburg einen Friedensvertrag unterzeichneten,
beendeten sie damit den fast drei Jahre währenden sogenannten Burenkrieg. Dieses
mörderische Ringen zwischen den weißen Kolonisten im südlichen Afrika sollte noch eine
weit über diesen Krieg hinaus wirkende Bedeutung bekommen.
Nach etlichen Publikationen zum Thema liegt nun mit Martin Bossenbroeks Tod am Kap.
Geschichte des Burenkriegs erstmals eine ebenso detaillierte wie fundierte
Abhandlung aus niederländischer Sicht vor. Allerdings darf man gleich vorausschicken,
dass der Geschichtsprofessor an der Universität Utrecht sein Werk nicht einseitig
ausgerichtet hat. Er stützt sich auf eine immense Fülle an Dokumenten wie Briefe,
Reportagen sowie Tagebücher von Diplomaten, Kriegsberichterstattern und Kombattanten.
Seine drei Hauptquellen sind dabei neben dem burischen Guerrillero Deys Teitz auch der
niederländische Jurist Willem Leids, Generalstaatsanwalt der Republik Transvaal, sowie
von der anderen Seite als bereits berühmter Kriegsberichterstatter der junge Winston
Churchill. Diese multiperspektivische Schilderung sorgt ebenso für eine sachlich
angemessene Gewichtung wie auch die Auswertung der Hinterlassenschaften zum Beispiel des
legendären Burenpräsidenten Paulus Ohm Kruger, des britischen
Oberbefehlshabers Sir Redvers Buller oder der britischen Menschenrechtsaktivistin Emily
Hobhouse.
Bossenbroek eröffnet die fesselnden Ausführungen mit dem Vorlauf zum Krieg, als wegen
der Gold- und Diamantenvorkommen immer mehr vor allem britische Uitlanders
nach Südafrika hereinströmen. Dahinter steht Großbritannien, das die Burenrepubliken in
sein Kolonialreich einverleiben will. Die südafrikanischen Poli-tiker versuchen, einen
bewaffneten Konflikt gegen die Weltmacht Nummer 1 zu vermeiden, doch die Kriegstreiber auf
der Gegenseite haben längst anderes beschlossen. Und dann liefern die Buren den
willkommenen Anlass, die Verhandlungen scheitern zu lassen, indem sie den
Uitlanders die rechtliche Gleichstellung verweigern.
Das Vereinigte Königreich trumpft mit einer Kriegsmacht von 250.000 Soldaten am Kap auf
und was damit im Oktober 1899 ausbrach, sollte zu einem Menetekel der beiden Weltkriege im
neuen Jahrhundert werden. Anfangs war die zahlenmäßig stark unterlegene Burenstreitmacht
erstaunlich erfolgreich. Die Aggressoren aber gingen zu einer Kriegsführung über, wie
sie im 20. Jahrhundert zu fataler Blüte kommen sollte. Die Strategie der
verbrannten Erde und das rücksichtslose Vorgehen auch und größtenteils
gezielt gegen die Zivilbevölkerung griff um sich, nachdem es anfangs einen ersten
Vorgeschmack auf verlustreiche Grabenkämpfe gab.
Noch entsetzlicher als diese Ausweitung zu einem totalen Krieg war die Erfindung der
Concentration Camps durch die Briten, in denen zeitweise bis zu 230.000
Menschen interniert waren, weit überwiegend Frauen und Kinder. Zwar waren diese Lager
noch keine Vernichtungslager wie die des Holocaust, doch durch unsägliche Missstände
starben rund 46.000 weiße und nichtweiße Insassen elendig.
Einen unmittelbaren Eindruck in das brutale Kampfgeschehen, das später auch in
erheblichem Maße zum Guerilla-Krieg wurde, geben hier vor allem die Berichte Churchills
und des Buren Reitz. Am Ende waren über 80.000 Menschen umgekommen, Kombattanten,
Zivilisten, Buren, Briten und Afrikaner. Für die Briten, die insgesamt über 450.000
Soldaten einsetzten und 230 Millionen Pfund Sterling (nach heutigem Wert ein hoher
Milliardenbetrag) aufbringen mussten, war es nicht nur materiell ein teuer erkaufter Sieg.
Dieser Krieg war erstmals auch einer mit großer öffentlicher Resonanz, denn rund 200
Korrespondenten aus aller Welt berichteten aktuell vor Ort. Der Imageschaden insbesondere
wegen der Concentration Camps war dadurch immens. Um so auffälliger erscheint da die
Beilegung des Krieges, bei der die weißen Gegner sich so weit entgegenkamen, dass die
Entrechtung der nichtweißen Bevölkerung derartig fortgeschrieben wurde, dass sie später
in das jahrzehntelang herrschende Apartheidssystem führte.
Martin Bossenbroek hat dieses Sachbuch brillant geschrieben und steigt sehr erhellend tief
in die Geschichte Südafrikas ein. Bei allen Meriten des bereits preisgekrönten Werks
bleibt allerdings ein Kritikpunkt: obwohl er selbst kein Hehl daraus macht, dass dies kein
white man's war war, nennt er ihn durchgehend in der sachlich überholten Form
Burenkrieg. Dabei wird er in der Forschung längst weitgehend und völlig zu
Recht Südafrikanischer Krieg genannt. Fazit: trotz dieses einen herben Makels
ein Meisterwerk.
|