RAINER MORITZ/ANDREAS LICHT:
DER SCHÖNSTE AUFENTHALT DER WELT
Ein Aufstieg zur Eleganz, ein Treppenhaus zum
Verlie-ben. So beschreibt Rainer Moritz nur das Treppenhaus des Dolder Grand Hotel
Zürich. Und das ist nicht einmal übertrieben. Siebzehn Hotels der Extraklasse in ganz
Europa hat er für den prachtvollen Bildband Der schönste Aufenthalt. Dichter im
Hotel ausgewählt. Ergänzt und optisch vervollkommnet werden seine Be-schreibungen
der Geschichte und des jeweiligen Charak-ters des Hauses durch eine Vielzahl
wunderschöner Fotos von Andreas Licht.
Doch das Buch soll und will mehr sein als nur ein Führer durch die besten Hotels des
Kontinents. Gleich-zeitig spürt er dem Hotel als literarischem Ort nach. Das
Hotel, so Walter Jens in seiner Eröffnungsrede bei der Wiedereröffnung des Adlon
in Berlin 1997,ist ein Idealort des Kommunizierens, Einander-Schöntuns,
Einander-Zurechtweisens, Einander-Nachstellens, Ein-ander-Belauerns. Wo anders denn lassen
sich derart viele Erfahrungen derart komprimiert machen?
Unzählbar ist die Anzahl der mehr oder weniger berühmten Autoren, die der
Buchmesse sei Dank Jahr für Jahr im Steigenberger Frankfurter Hof absteigen, koste
es, was es wolle. Hier ist die sagenumwobene Autorenbar des Hotels das Objekt der
Begierde, um Kon-takte zu pflegen und neue zu knüpfen. Bekannt ist auch, dass die
Taxifahrer die Buchmesse nicht besonders mögen, weil die Autoren sich nicht zu den
Prostituier-ten der Stadt fahren lassen, sondern im Hotel bleiben und miteinander
schlafen.
Immerhin ist von Thomas Mann der Satz überliefert: Was ein wirkliches Grand Hotel
ist, habe ich erst jetzt in Frankfurt wieder gesehen, im Frankfurter Hof.
Doch nicht nur die großen, prestigeträchtigen Häuser beschreibt Moritz. Das
Wedina im ehemaligen Hamburger Problemkiez St. Georg ist eines der kleinen,
aber lite-rarisch feinen Hotels in der Sammlung. Durch die ganz besondere Atmosphäre und
die Zusammenarbeit mit dem Hamburger Literaturhaus hat es sich zu einem Stammhaus für
Autoren in Hamburg entwickelt. Jonathan Franzen, Clemens Meyer, Margriet de Moor und
Joachim Gauck vor seiner Zeit als Bundespräsident sind nur einige der Gäste gewesen.
Natürlich ist auch das Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in der Hansestadt gebührend
gewürdigt.
Und natürlich darf kein Buch über Hotels als litera-rische Orte Venedig auslassen. Schon
Heinrich Heine spöttelte: Mein Fäulein! Sein Sie munter, / das ist ein altes
Stück; / Hier vorne geht sie unter / Und kehrt von hinten zurück. Das Hotel
Gabrielli hat weit-gehend das Hotel des Bains am Lido abgelöst, das
Schauplatz von Thomas Manns Tod in Venedig wie auch von Viscontis
Verfilmung des Stoffs war.
Wie ein gestrandeter Luxusdampfer scheint das Hotel Waldhaus Sils-Maria
zwischen den Bergen des Oberenga-dins zu liegen und bringt es auf eine stattliche Anzahl
höchst prominenter Gäste wie Hermann Hesse, Thomas Mann, Erich Kästner, Luchiano
Visconti, Claude Chabrol, Friedrich Dürrenmatt und Friedrich Nietzsche. Der
Zau-berberg habe die Davoser sehr geärgert, äußerte sich Katia Mann zu dem
Roman, der im heutigen Waldhotel in Davos angesiedelt war.
Damals war der Roman für das Haus eher geschäftsschä-digend. Heute ist das Hotel ein
literarischer Ort erster Güte und darf in einem derartigen Reiseführer nicht
fehlen, auch wenn aus dem damaligen Sanatorium längst ein besonders feines Hotel geworden
ist.
Ein sehr schönes Buch, das manche Anekdote und auch Geschichte lebendig werden lässt,
ist den beiden Verfassern da gelungen. Und es lässt den Leser nebenbei von einigen der
schönsten Herbergen Europas und kann vielleicht auch Anregung für eine Reise mit
literarischem Hintergrund sein.
|