KIRA GEMBRI: EIN TEIL VON
UNS
Ein Teil von uns ist bereits der zweite Jugendroman der erst 25 Jahre alten
Kira Gembri und es sei vorweg gesagt: er ist schlichtweg großartig. Um so bedauerlicher
ist das, was der Verlag der sprachgewaltigen Wienerin mit dem Cover angetan hat. Als
zuckersüßen Scherenschnitt sieht man da ein junges Pärchen mit ganz vielen fliegenden
Herzchen, als gehe es um eine nette Teenie-Romanze.
Dieser raffiniert konzipierte Roman hat jedoch ganz andere Qualitäten und ein sehr
ernstes Grundthema. Es geht um eine Organspende und aus gutem Grunde sind Kontaktaufnahmen
zwischen Spendern und Empfänger grundsätzlich tabu. Hier aber geht genau das daneben mit
allerlei Folgen. Im Mittelpunkt stehen dabei der 19-jährige Aaron Falk, der von
Kindestagen an unter terminalem Nierenversagen leidet, und die gleichaltrige kerngesunde
Antonia Winter.
Aaron musste wegen der immer häufiger nötigen Dialysetermine nach Berlin in eine kleine
Wohnung umziehen, weil auf dem Land, wo seine Mutter ein Gasthaus betreibt, kein
Dialyseplatz in vernünftiger Nähe zu erreichen war. Hoffnungen auf eine Transplantation
macht er sich kaum, denn die Chancen sind bei seinen Werten gering. Stattdessen hat er
einen blitzgescheiten Sarkasmus entwickelt. Und er hat wenigstens einen echten Freund, der
selbst zwar eine Sportskanone ist, ihn aber auch immer wieder mit deftigen Späßen
aufmuntert.
Antonias Welt ist eine völlig andere, denn ihre Eltern sind Spitzenanwälte mit
entsprechenden Allüren. Leider auch zu Lasten der verunsicherten angepassten
Jura-Studentin, denn in ihrem dünkelhaften Ehrgeiz ist nur Platz für intensive
Leistungsorientierung aber nicht für Gefühle. Einziger emotionaler Lichtblick ist da
Tante Laura, die Antonia von jeher Nia genannt hat.
Dieser so völlig anders gearteten Schwester ihrer Mutter will Nia nun ein Geschenk der
besonderen Art machen: eine ihrer gesunden Nieren. Die Globetrotterin leidet unter einer
fortschreitenden Niereninsuffizienz und ist bereits arg geschwächt. Doch es geschieht
Schlimmes, denn während Nia noch in der Narkose liegt, hat Tante Laura die Operation
nicht überstanden. Nias schon entnommene Niere aber führt für Aaron zu dem von
Nierenpatienten als mythisches Ereignis empfundenen Anruf aus dem Krankenhaus.
Dort begegnen sich der frischgebackene Empfänger und die Spenderin und Aaron hat sofort
die richtige Ahnung. Das ist auch der Start in eine ebenso komplizierte wie aufregende
Beziehung. Im Nu hasst Nia den Schlaks mit dem losen Mundwerk erstmal, als er für sie
beide den ominösen Begriff Organgeschwister prägt.
Doch wie fühlt man sich mit einem fremden Organ im Körper? Und wie fühlt man
sich, wenn man weiß, der Gegenüber hat ein Organ aus dem eigenen Körper jetzt in dem
seinen? Allein die vielen besonderen Umstände und Belastungen eines Organempfängers von
der langsamen Gewöhnung und dem riesigen, lebenslang nötigen Medikamentenmix ziehen sich
als spannender roter Faden durch den gesamten Roman.
Das könnte schwere trockene Kost bedeuten, Kira Gembri aber gelingt es virtuos, dieser
Geschichte mit all den glaubhaften Problemen der Protagonisten eine gewisse
Leichtfüßigkeit zu bewahren. Das erreicht sie allein schon durch den mit raffinierter
Dramaturgie verbundenen Wechsel des Erzählens zwischen der sympathischen aber unsicheren
Nia und dem sarkastischen Aaron mit seinem hinreißend frechen und treffsicheren Humor.
Und schließlich wird der Roman zu einem regelrechten Roadmovie, denn Tante Laura hat Nia
ein überraschendes Erbe hinterlassen, ein Grundstück mit Haus mitten in Australien. Da
ist es der wendige Aaron, der Nia dazu bringt, mit ihm nach Down under zu
fliegen. Natürlich sehr zum Missfallen ihrer Eltern. Diese Passagen auf dem fernen
Kontinent sind sowohl hinsichtlich der komplizierten Annäherung der Beiden wie auch mit
wunderbaren Landschaftsbeschreibungen fesselnd.
Dazu tragen neben den beiden Hauptfiguren mit den exzellent gezeichneten Charakteren auch
einige Nebendarsteller bei wie der wortkarge knorrige Nachbar Russell bei. Fazit: ein
hinreißender Roman um ein ernstes Thema, der gleichwohl niemals erdrückt und zugleich
ein lange nachhallendes ganz großes Lesevergnügen nicht nur für Teenager bietet.
|