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NEUMAHR: MIGUEL DE CERVANTES
Mit der weltberühmten Geschichte von Don Quijote schrieb der Spanier Miguel
de Cervantes (1547-1616) nicht nur ein Jahrtausendbuch, er erfand damit quasi auch die
literarische Gattung des Romans. Die Idee dazu kam ihm während eines
Gefängnisaufenthalts und erst in den letzten Lebensjahren wurde es abgeschlossen, um dann
sogleich ein internationaler Erfolg zu werden.
Als Cervantes starb, war er gleichwohl ein vereinsamter Mensch, der allerdings ein
wahrhaft bewegtes Leben hinter sich hatte. Der 400. Todestag am 23. April nicht von
ungefähr rief die UNESCO dieses Datum zum Welttag des Buches aus war auch Anlass
für eine längst überfällige umfassende Biographie auf der Grundlage der neuesten
Forschung durch den Romanisten und Germanisten Uwe Neumahr.
Miguel de Cervantes Ein wildes Leben ist das Werk überschrieben und
das ist kein bisschen übertrieben. Über Kindheit und Jugend weiß man kaum etwas und
auch für die Möglichkeit, dass Cervantes in seinen Familienwurzeln jüdische Konvertiten
hatte, findet sich kein konkreter Beleg. Bei anderen, teils über Jahre reichende Lücken
im Quellenmaterial hilft sich der Biograph mit sinnvollen Vermutungen aus. Was jedoch
belegt ist, liest sich schlichtweg, als wäre es ein mit sprühender Fantasie erfundener
Roman.
So musste Cervantes als junger Mann aus seiner Heimat flüchten, denn wegen eines
verbotenen Duells wurde eine drakonische Strafe gegen ihn verhängt: der Verlust der
rechten Hand. Der 22-Jährige aber floh nach Neapel, meldete sich zur Marine und erwarb
sich viel Anerkennung wegen seiner Tapferkeit in der legendären Seeschlacht von Lepanto
von 1571, in der eine Flotte der christlichen Allianz den Mythos der unbesiegbaren
osmanischen Seemacht zerstörte. Besondere Ironie des Schicksals: Cervantes wurde mehrfach
verwundet und seine linke Hand dabei verstümmelt.
Doch man erfährt bei diesen Schilderungen mehr als nur vom persönlichen Erleben des
Spaniers und das gilt auch für seine anschließende Gefangenschaft durch algerische
Piraten. Erst nach schlimmen Jahren mit Fluchtversuchen, Quälereien und viel
Hoffnungslosigkeit gelangte er wieder in Freiheit und in seine Heimat. Das Privatleben mit
einer unsteten Ehe, deren lückenhafte Details Anlass zu Spekulationen bis hin zur
Homosexualität gibt, blieb ähnlich bewegt wie das berufliche.
Er hat zwar mit dem Schreiben begonnen, das ist zunächst aber nur Beiwerk, von dem nur
Bruchstücke erhalten sind. Um so wechselhafter waren seine Berufstätigkeiten, die an
vielen Orten ganz Spaniens ihre Spuren hinterließen. Manches gehörte zu den unpopulären
Aufgaben für König und Reich, wenn er als Proviant- und Steuereintreiber oder später
als Flottenkommissar Lebensmittel für die Armada requirierte, die 1588 England erobern
sollte und so entsetzlich scheiterte.
Sein Geschäftserfolg war jedoch nicht nur durchwachsen, Cervantes musste sogar ins
Gefängnis und er wurde auch gleich zweimal von der Kirche exkommuniziert. Zum ernsthaften
und sehr fruchtbaren Schriftsteller mit Gedichten, Novellen und Theaterstücken aber wurde
er erst in der zweiten Lebenshälfte und der Ruhm des Don Quijote sollte erst
mit 58 Jahren einsetzen. Ein Leben wie eine Achterbahn voller Gegensätzlichkeit und
Widersprüchen allerdings blieb die Vita des spanischen Nationaldichters bis zuletzt.
Autor Uwe Neumahr hat dazu als gründlicher Rechercheur gewirkt und er versagt sich
mögliche Ausschmückungen. So spannend und romanhaft sich das Alles auch erweist,
zuweilen hätte man sich eine etwas weniger spröde akademische Herangehensweise ans
Schreiben gewünscht, denn nur wenige reale Persönlichkeiten der Weltgeschichte bieten
Platz für eine solch aufregende, farbige Biographie wie die des Miguel de Cervantes.
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