PUFF-TROJAN/COMPAGNON:
DADA-ALMANACH
In der Züricher Spiegelgasse 1 gab es am 5. Februar 1916 den Urknall für Dada. Künstler
wie Hugo Ball, seine Dadafee Emmy Hennings oder Dadatzar Tristan
Tzar eröffneten die Künstlerkneipe Voltaire, die bald schon in Cabaret
Voltaire umbenannt ein ganz großer Erfolg wurde.
Was aber war Dada? Laut Mitbegründer Ball war es die Weltseele, der Clou und die beste
Lilienmilchseife der Welt (die hieß nämlich wirklich Dada!). Dada-Trommler
Richard Huelsenbeck aber traf es wohl genauer, als er erläuterte: Dada kann man
nicht begreifen, Dada muss man erleben. Und das setzte nun vor 100 Jahren und mitten
im rund um die friedliche Schweiz herum tobenden Ersten Weltkrieg ein.
Genau gegen den und die verlogene Welt des Bürgertums wandte sich diese radikale
Avantgardekunst, die der verrückt gewordenen Menschheit die Zunge herausstreckte. Dada
war zugleich Anti-Kunst und ihr Grundsatz der notoirsche Regelverstoß. Der nun mit
Kreativität und Originalität provozierte, schrill und schräg und subversiv war. Den
Begriff Dadaismus allerdings verwendeten seine Vertreter selbst kaum, denn es gab keine
fest Formn, kein Programm.
Mit welcher unbändigen Experimentierfreude die bunte Schar vom Cabaret
Voltaire höchst produktiv wurde, zeigt jetzt zum 100-Jährigen der
Dada-Almanach, herausgegeben von dem Germanisten Andreas Puff-Trojan und dem
Komparatisten H.M. Compagnon. Der Untertitel kündigt an, welche Fundgrube dieses
kunstvoll aufgemachte Kompendium offenbart: Vom Aberwitz ästhetischer Contradiction
Textbilder, Lautgedichte, Manifeste.
Zur Fülle dieser Schatztruhe des Dada gehören außerdem Simultangedichte, Krippen- und
Gauklerspiele, aber auch sogenannte Standpauken. Erhellendes samt Kurzbiographien der
wichtigsten Dada-Vertreter finden sich zudem in einem Anhang. Wer jedoch in die
unmittelbare Geschichte einsteigen will, um die vielfältigen Beweggründe und die
Künstler selbst genauer kennenzulernen, dem sei das exzellente Sachbuch DADA. Eine
Jahrhundertgeschichte von Martin Mittelmeier empfohlen.
Der Komparatist erläutert den geschichtlichen und kulturhistorischen Kontext des Ur-Dada
yus der Züricher Entstehungszeit. Der dann ja in die Welt hinausschwappte mit weiteren
Hochburgen unter anderem in Köln, Berlin, Paris und New York. Was da so mit anarchischer
Lust Sprache und Kunst auf den Kopf stellte, war nicht von sehr langer Dauer und war doch
ein Urknall für zahlreiche Entwicklungen.
In der Bildenden Kunst denke man nur an den Surrealismus, die Collagetechnik und vieles
mehr, das einschließlich Happening-Kunst und dem viel späteren Punk und darüber hinaus
bis in die Gegenwart wirkt. Fazit: Dada ist 100 Jahre alt und doch so lebendig wie auch
die Zeiten erneut ähnlich unüberschaubar und verwirrend wie damals sind weshalb
diese beiden hervorragenden Bücher von verblüffender Aktualität sind.
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# Andreas Puff-Trojan/H.M. Compagnon (Hrsg.): Dada-Almanach. Vom Aberwitz
ästhetischer Contradiction Textbilder, Lautgedichte, Manifeste; 176 Seiten,
Mittelformat; Manesse Verlag, Zürich; 39,95
# Martin Mittelmeier: DADA. Eine Jahrhundertgeschichte; 272 Seiten, div. Abb.; Siedler
Verlag, München; 22,99
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
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