MEG HASTON: ALLES SO
LEICHT
Als die 17-jährige Stevie in das Therapiezentrum für Essstörungen in der Weite New
Mexicos ankommt, sieht sie den Versuchen der Therapeuten mit stoischer Gelassenheit
entgegen. Für sie steht fest, dass sie zielstrebig zu einem baldigen Tag aus ihrem
Körper und aus ihrem Leben verschwinden wird.
Mit dieser unmissverständlichen Feststellung des bereits extrem unterernährten Teenagers
aus dem fernen Atlanta beginnt Meg Halstons mitreißender aber auch beklemmender
Jugendroman Alles so leicht. Ich-Erzählerin Stevie weiß sehr genau, was sie
will, und die auf Raspellänge abrasierten Haare und der Verzicht aufs Duschen sind nur
äußere Anzeichen ihrer demonstrativen Unnahbarkeit. Die 19 anderen Mädchen im Zentrum
ignoriert sie oder verachtet sie sogar, wenn sie bei einer eine Anpassung an die
Therapieversuche vermutet.
Um so größer wird die Herausforderung durch ihre Therapeutin Anna, für Stevie nur
SK als abfälliges Synonym für Seelenklempner. Die ist so anders als
erwartet, sie bedrängt Stevie nicht, nimmt sie gleichwohl ernst. Und sie sagt ihr auf den
Kopf zu, dass sie die Ernährung mit dem Ziel verweigert, auf diese Weise zu sterben. Und
genau das trifft ja zu und es soll am ersten Todestag ihres Bruders Josh so weit sein.
Mit der extrem wachen intellektuellen Schärfe eines Fastenden geht Stevie in das
Psycho-Duell mit der cleveren Therapeutin, zugleich erfährt der Leser auf diese Weise
Stück für Stück vom Weg in diese extreme psychische Störung. Da war schon diese
schwere Belastung durch den Weggang der Mutter, als die ebenso hochkarätige wie
ehrgeizige Rechtsanwältin die Familie aus Karrieregründen hinter sich ließ. Was nach
Stevies Überzeugung aber auch damit zu tun hatte, dass sie ihr offenbar nicht gut genug
war.
Noch folgenreicher jedoch entwickelte sich dann die Freundschaft zu der egoistischen Eden,
denn die betörte Stevie bis hin zu heimlichen Intimitäten, umgarnte aber auch Stevies
ein Jahr älteren Bruder Josh. Der verliebte sich Hals über Kopf in sie und so gab es
einen schicksalhaften Streit, als er die beiden Mädchen beim Knutschen überraschte.
Heftig miteinander streitend kam es zu der fatalen Autofahrt, bei der Josh umkam, während
Stevie mit Verletzungen davonkam. Fest überzeugt von ihrer Schuld, will sie also bis zu
diesem Todestag immer leichter werden, bis es sie nicht mehr gibt.
Doch so total sich alles Denken und Empfinden ausschließlich um sie selbst dreht und sie
auch für die wankelmütige Zimmergenossin Ashley anfangs nur eine geradezu dünkelhafte
Verachtung übrig hat SK Anna versteht es tatsächlich, die so gallig und sperrig
vertretene Abwehrhaltung gegen jegliche Beeinflussung ins Wanken zu bringen. In
Millimeterschritten dringt sie durch zu Stevie, vermag ihr den Gedanken nahezubringen,
dass Eden offenbar die eigentliche Schuldige ist, vor allem aber, dass Josh niemals
gewollt hätte, dass sie für ihn stirbt.
Ja, es gibt ein Happyend und auch das darf man ebenso ernst nehmen wie den gesamten,
exzellent geschriebenen Roman mit seiner großen Wucht. Durch die Erzählweise aus Stevies
Sicht entsteht eine fesselnde Nähe zu der authentischen Hauptfigur, die außerdem eine
sehr präzise Beobachterin ist. Gerade durch diesen Blickwinkel aber werden zugleich die
Beweggründe und der Verlauf einer typischen lebensbedrohlichen Anorexie auch für den
hilflos Außenstehenden nachvollziehbar.
Meg Haston schreibt im Übrigen aus den Erfahrungen einer eigenen Therapie wegen einer
Essstörung und legt mit ihrem Debütroman ein großartiges Werk vor. Das dürften nicht
nur Teenager atemlos verschlingen, zumal es zu diesem Thema zum Besten gehört, was
derzeit literarisch angeboten wird.
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