HANIF KUREISHI: DAS LETZTE
WORT
Was macht ein großer Autor, wenn die Karriere mit 70 stark abgeflacht ist und die viel
jüngere Gattin den ohnehin schon hohen Kosten für das aufwendige Landhaus überbordende
Konsumausgaben hinzufügt? Da neue Erfolgsromane kaum zu erwarten sind, lässt sich der
noch immer hoch geachtete Mamoon Azam zu einer erfolgversprechenden Maßnahme überreden:
einer Biographie über ihn.
Dazu entsendet sein skandalversessener Verleger mit Harry Johnson einen aalglatten
30-jährigen Weiberhelden, der im abgelegenen Prospect House eine möglichst
ungeschminkte Biographie aus dem für seine vielen früheren Eskapaden bekannten Alten
herauskitzeln soll. Damit lässt Kultautor Hanif Kureishi nun zwei sehr ungleiche Brüder
im Geiste aufeinander los, die sich gegenseitig instrumentalisieren. Mamoon will wieder in
die Bestsellerlisten kommen und Harry erhofft sich den Durchbruch mit einer deftigen Vita
voller Pikanterien. Und diese Biographie wird das letzte Wort zum großen Mamoon Azam
schreiben.
Das letzte Wort heißt denn auch der Titel des zuweilen subtil bösen Romans,
der kaum Zweifel daran lässt, dass er ein reales Vorbild hat. So gab
Literaturnobelpreisträger V. S. Naipul wie Azam indischer Herkunft und diesem auch
in der äußerlichen Beschreibung sehr ähnlich 2008 eine Biographie in Auftrag, in
der der Autor als egomaner Faun dargestellt wurde, der die erste Ehefrau durch Krebs
verlor und nun an der Verschwendungssucht der viel jüngeren Nachfolgerin zu kauen hat.
Selbst das Werk Mamoons ähnelt dem des echten Vorbilds.
Harry darf nun einerseits in all den schriftlichen Unterlagen schnüffeln, die ihm Liane
Azam vorlegt, der launische Schriftsteller hingegen erweist sich als schwer zugänglich
und oft genug schikanös. Harry kann nur ahnen, wie sehr ihn Mamoon bei aller
Geringschätzung beneidet: um die Jugend, die Vitalität, die erotischen Möglichkeiten,
die wilden Freiheiten, die er einst ungehemmt genoss. Doch ausgerechnet dieser
drittklassige Schreiberling soll für die Nachwelt das letzte Wort über das Leben des
ruhmreichen Literaten haben?!
Wie sich aus diesem so schiefen Machtgeplänkel zwischen zwei Alphamännchen schließlich
doch so etwas wie ein Duell auf Augenhöhe entwickelt, das fesselt mit raffinierter
Nabelschau und hinreißenden Dialogen voller Doppelbödigkeit und satirischen Widerhaken.
Und ganz subtil bekommt obendrein der Literaturbetrieb mit seiner Verflachung gerade auch
bei der Flut von boulevardesken Biographien sein Fett weg.
Hier jedoch fesselt der abgefeimte Zweikampf, bei dem sich Harry zunehmend obenauf fühlt
und es auch immer wieder erotisch knistert. Dass bei zwei testosteronbewussten Hähnen
dennoch der weitaus Erfahrenere durchaus den Sieg davonzutragen versteht, offenbart
schließlich eine lustvolle Überraschung. Der Alte nämlich schreibt nicht nur
entgegen allen Beteuerungen, nichts Nennenswertes mehr aufs Papier bringen zu können
heimlich ein eigenes Buch parallel zu Harrys Arbeit. Er thematisiert darin auch
noch genau das, was gerade vor sich geht: wie ein alter Großautor von einem Jungspund
eine Biographie schreiben lässt und dabei diesem en passant die junge hübsche Verlobte
ausspannt.
Mehr sei von diesen verschlungenen Machenschaften nicht verraten, die im Übrigen auf
hohen Niveau daherkommen, auch manchen komischen Moment offenbaren und immer wieder
süffisant schmunzeln lassen. Zum großen Lesegenuss trägt im Übrigen die erneut
hervorragende Übertragung ins Deutsche durch Henning Ahrens bei.
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