KENNETH
BONERT: DER LÖWENSUCHER
Ein Füllhorn schwerwiegender Themen breitet Kenneth Bonert in seinem bewegenden Epos
Der Löwensucher aus. Das beginnt mit Gitelle Helger aus einem Schtetl in
Litauen, die 1924 ihrem bereits nach Südafrika emigrierten Mann Abel folgt. Im
Mittelpunkt steht jedoch ihr kleiner rothaariger Sohn Isaac.
Er habe eine wenig mehr kaych, mehr Lebensenergie mitbekommen als die meisten
Menschen, stellt die typische jiddische Mame eingangs fest. Mag er auch recht ungebärdig
mit all den schwarzen Kindern in Johannesburg herumtollen, impft sie ihm schon früh ein,
dass es nur die Dummen und die Klugen gebe. Und dazu gehört auch recht bald, nicht mehr
mit bestimmten Parasiten umzugehen, schließlich existiert längst eine
deutliche Apartheid, in der Farbige nichts gelten. Die Juden aber sind hier Weiße, auch
wenn sie unter den Buren und den englischen Afrikanern stehen.
Isaac liebt seine Mutter, die ihn ihrerseits anhimmelt, zugleich jedoch auch für sich
vereinnahmt. Im Gegensatz zum braven aber wenig lebenstüchtigen Vater soll er einst für
ein schönes Haus für die Familie sorgen. Und noch wichtiger ist Gitelle aus gutem
Grunde, dass sie eines Tages auch ihre zurückgebliebenen Geschwister aus Litauen
nachkommen lassen kann. Isaacs Weg erweist sich allerdings bald schon als verschlungen und
dornig. Mal sind es schicksalhafte Verwicklungen, mal sind es eigene Fehlverhalten oder
falsche Entscheidungen, die ihn immer wieder in die Bedrouille bringen.
Von der Schule muss er unrühmlich abgehen, seine wahre Begabung zeigt sich dagegen beim
Reparieren von Autos, so dass er eine Lehre in einer Werkstatt beginnt. Während er dort
auf den üblen Magnus Oberholzer trifft, einen Schwarzen- und Judenhasser, der sich den
antisemitischen Grauhemden anschließt, lernt er andererseits den schillernden Vertreter
und Wundermittelverkäufer Hugo Bleznik kennen. Beide spielen immer wieder wichtige Rollen
auf Isaacs weiterem Lebensweg.
Mindestens ebenso wichtig jedoch wird Yvonne Lindhurst für ihn, Tochter eines
Unternehmers, kapriziös aber auch recht oberflächlich. Als sie ihm für einen jungen
Mann aus besseren Kreisen den Laufpass gibt, trifft er in seiner emotionalen Art
weitreichende Fehlentscheidungen. Doch schon zuvor durchläuft er manch bittere
Erfahrungen, die vor allem auch mit seinem Judentum zu tun haben. Während in Europa die
Nazis ihren fatalen Aufstieg begonnen haben, macht sich auch im fernen Südafrika immer
häufiger Antisemitismus breit, nachdem die Regierung bereits 1930 das vornehmlich gegen
Juden gerichtete Quotengesetz gegen weitere Zuwanderungen aus Ost-Europa erlassen hatte.
Intoleranz und Rassismus führen zunehmend zu Übergriffen und Isaac selbst erlebt eine
grausame Brandmarkung: Weil du ein Jude bist, und das bist du, wo immer du auch
hingehst. Doch Isaac ist aufgrund seines aufbrausenden Temperaments und dank der
Erziehung seiner Mutter zum Egoismus nicht zum Gefressenwerden geeignet sondern vielmehr
dazu, sich zu nehmen, was ihm vermeintlich zusteht. Was auf tragische Weise sogar zum
Zerwürfnis mit Mame Gitelle führt und Isaac in den Krieg flüchten lässt.
Auf dem Weg zum halbwegs versöhnlichen Ende muss Isaac noch viel durchmachen. Doch nach
und nach offenbart sich auch das Grauen, dass die Mutter einst in Litauen erleiden musste,
und die Schilderungen von Pogromen sind in ihrer Deutlichkeit nur schwer erträglich.
Mutter und Sohn sind beide keine eindeutigen Sympathieträger, dennoch versteht man sie.
Wobei allerdings verblüfft, wie hier die herabgewürdigten Juden ihrerseits von ihren
Unterdrückern gelernt haben, die Schwarzen als minderwertig zu behandeln.
Dieser Roman einer Mannwerdung vor dem realen Hintergrund der 30er und 40er Jahre fesselt
sowohl mit seiner wahren Achterbahnfahrt eines bewegten Lebens wie auch mit den
einzigartig gelungenen Charakteren. Das Alles wirkt nicht nur ganz und gar authentisch
Kenneth Bonert wuchs selbst als Kind jüdischer Einwanderer in Johannesburg auf
er versteht sich auch hervorragend auf lebensnahe Dialoge. Im Übrigen pflegt er
eine geradezu magisch spürbare Prosa, wenn es um die Beschreibung von Situationen,
schmerzhaften Empfindungen und verletzten Gefühlen geht.
Fazit: ein packender und zuweilen verstörender Roman von hoher Erzählkunst, der unter
die Haut geht und lange nachhallt.
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