THERESA PRAMMER: "WIENER
TOTENLIEDER
Mit 32 Jahren hat Wilhelm Neumann endlich seine Premiere als Tenor im berühmten Wiener
Opernhaus. Als Monostatos soll er in einem skurrilen Kostüm aus Latex und Spiegelkacheln
zur Zauberflöte auf die Bühne. Mitten in der Arie bricht er jedoch tot
zusammen, eine Scherbe tief im Rücken.
Mit diesem bizarren Mord eröffnet Theresa Prammer ihren ersten Krimi unter dem Titel
Wiener Totenlieder. Man beachte den Plural, denn Neumann ist nicht der erste
Gemeuchelte in dieser Oper und er bleibt nicht der letzte. Entsprechend hilflos ist die
Polizei und deshalb wendet sich Kriminalkommissar Hannes Fischer heimlich an seine
Ex-Freundin Lotta Fiore, die er als Ausbilder kennenlernte, als die eigenwillige junge
Dame erfolglos eine Ausbildung bei der Kripo versuchte.
Zuvor war die Tochter der weltberühmten Sopranistin Maria Fiore schon an einer Karriere
als Opernsängerin gescheitert und sie hasst seitdem diesen von Egozentrikern geprägten
Zirkus. Ihr Job als Kaufhausdetektivin erfüllt sie aber auch nicht sehr, so dass sie sich
mit flüchtigen Affären und viel Alkohol irgendwie durchhangelt. Größte Abwechslung ist
da schon fast die dicke Henriette, die sich regelmäßig beim Klauen erwischen lässt.
Folgenlos, denn sie ist eine harmlose Irre aus einer nahen Anstalt.
Kaum verwunderlich, dass Fischer bei seiner ehemaligen Flamme nicht sehr intensiv
verhandeln muss, um sie für einen Undercover-Einsatz in dem ihr wohlvertrauten Opernhaus
zu überreden. Die letzten Vorbehalte beseitigt ein in Aussicht gestelltes heimliches
Honorar von 10.000 Euro. Als Statistin trifft die raunzige Mitt- zwanzigerin mit den
vielen Macken auf einen weiteren angehenden verdeckten Ermittler, Konrad Fürst. Dieser
Mann Ende 50 schlägt sich als Clown Foxi durch, war früher allerdings ein erfolgreicher
Kriminalist. Bis vor vielen Jahren seine damals siebenjährige Tochter spurlos verschwand.
Natürlich hat der Leser da bald Vermutungen bei den eingestreuten Gedanken eines
Mädchens, viel spannender und mit Thrillerelementen ebenso durchsetzt wie mit schrägen
Anflügen von Situationskomik bis hin zu ganz und gar österreichisch schwarzem Humor aber
fesselt das eigentliche Geschehen. Hinreißende Charaktere bevölkern diesen Krimi, der
weitgehend in dieser besonderen Atmosphäre des Opernhauses mit all den Strizzis, Egomanen
und Eifersüchteleien spielt und mit immer neuen Wendungen aufwartet. Vor allem jedoch
lässt das Morden bis auf weiteres nicht nach und die Methoden zeigen eine ausgesprochen
gemeine Fantasie.
Mehr darf hier einfach nicht verraten werden, denn Überraschungen gibt es bis zum
dramatischen Finale und wie die Fäden zusammengeführt werden, das ist meisterhaft
gelungen. Da mag manches selbst für die bekanntermaßen exzentrischen Wiener
Verhältnisse nicht sonderlich wirklichkeitsnah sein, eine Wohltat für anspruchsvolle
Krimifreunde bietet es allemal. Das liegt dann durchaus auf dem Abseitigkeitsniveau eines
Wolf Haas oder Christian Mähr und diese Lotta wäre gewiss eine kongeniale Partnerin für
Josef Hader. Ähnlich filmreif wie dessen Knochenmann sind diese herrlich
morbiden Wiener Totenlieder im Übrigen allemal.
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