VIRGINIA BERGIN: RAIN
DAS TÖDLICHE ELEMENT
Eben noch hat Ruby Morris endlich mit ihrem Schwarm Caspar erstmals im Pool geknutscht und
auch für die anderen Jugendlichen steigert sich die Samstagsparty vielversprechend. Da
zerren Caspars sonst so liberale Eltern die fröhliche Schar rabiat ins Haus.
Niemand will die Radiowarnungen erst so richtig glauben, dass eine infernalische
Katastrophe unmittelbar bevorsteht. Es ist im Regen. Es ist ansteckend Und es
ist ausgerechnet Caspar, der für alle im Haus zum schrecklichen Beweis wird, als er noch
einmal hinausrennt, um etwas Vergessenes zu holen. Der Regen ist toxisch, verbreitet
absolut tödliche Viren und schon ein Tropfen bedeutet das sofort einsetzende grausige
Todesurteil. Und es kommt nicht nur von oben, auch jeder Wasserhahn droht mit dem
unentrinnbar tödlichen Nass.
Mit diesem unfassbaren Szenario beginnt Virginia Bergin, erfolgreiche britische
Drehbuchautorin, ihren ersten Jugendroman Rain Das tödliche Element.
Sie stattet ihre 15-jährige Ich-Erzählerin mit einer höchst raubeinigen Sprache aus,
die gerade mit ihrem teils drastischen Vokabular und mancher nicht zielführenden
Reflektion über das eigene Aussehen und Befinden sehr authentisch wirkt. Und natürlich
wird Rubys Stimme allmählich immer unsicherer und ernster mit zunehmenden Sarkasmus.
Sehr realistisch erlebt der Leser mit, wie ihre Familie auf grausige Weise dezimiert wird
und wie allenthalben Panik, Chaos und Anarchie ausbrechen. Ruby setzt ihre zaghaften
Hoffnungen auf ihren Vater, der getrennt von der Familie im fernen London lebt. Doch zu
ihm zu gelangen, nachdem sie vor dem Zusammenbruch der Kommunikation eine letzte kurze
Nachricht von ihm erhalten hat, wird zu einer Odyssee durch apokalyptische Zustände im
ganzen Land.
Jeder gegen jeden heißt es beim verzweifelten Kampf ums Überleben, bei dem schon der
Streit um jede trinkbare Flüssigkeit zu hinterhältigen Gemeinheiten führt. So, als
Rubys Stiefvater beim Plündern in eine heimtückische Falle läuft und elendig an dem
unheimlichen Virus krepiert. Ruby findet auf ihrer von haarsträubenden Erlebnissen
gepflasterten Fahrt mit immer neuen herrenlosen Fahrzeugen manche Begleiter, doch die
meisten kommen über die Rolle interessanter Statisten nicht hinaus, weil sie dafür gar
nicht lange genug leben.
Dass Angst und Hoffnung immer mehr in Sarkasmus und blanken Überlebenstrieb umschlagen,
kann kaum verwundern angesichts allgegenwärtiger blutiger Leichen und der allgemeinen
Auflösung fast jeder Ordnung. Die Panik und die Verwirrung des Mädchens werden heftig
spürbar und der ständig peinigende Durst schnürt auch dem Leser unwillkürlich die
Kehle zu. Ruby schildert dabei auf beklemmende Weise so manche Horrorszene.
Und es sei vorweg gesagt: sie schafft den Weg zur Wohnung des Vaters, doch in London
herrscht das Militär mit Sondereinheiten, denen sich auch Ruby fügen muss. Man weiß zum
Schluss lediglich, dass sie vorläufig überlebt hat, ihre Geschichte aber ist bis hierher
nur der fulminante Auftakt zu einer vielversprechenden Endzeit-Trilogie. Ob das Alles
filmreif ist? Eigentlich hundertprozentig, allerdings wäre ein solcher Film vermutlich
selbst für weniger Zartbesaitete noch schwerer zu ertragen als dieser packende Thriller.
Und das gilt nicht nur für Teenager, denn auch Erwachsene, die sich in diese
Jugendsprache hineinzulesen vermögen, finden hier ein starkes Stück Gänsehautlektüre.
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