GREG ILES: NATCHEZ
BURNING
Natchez Burning heißt der jüngste Roman von US-Erfolgsautor Greg Iles und
Feuer spielt in diesem infernalischen Thrillerepos eine wahrlich zentrale Rolle. Erneut
steht Penn Cage, ehemaliger Staatsanwalt und smarter Bürgermeister von Natchez im
Mittelpunkt dieses Geschehens im Jahre 2005.
Der Einstieg führt allerdings zunächst in jene wild bewegte Zeit zwischen 1964 und 1968,
als unter Präsident Lyndon B. Johnson die Bürgerrechtsgesetzgebung endlich für die
Gleichstellung von Schwarzen und Weißen sorgen sollte. Eine von heftigen Kontroversen und
Rassenunruhen geprägte Ära in vielen US-Staaten, vor allem jedoch im Süden. Und hier
kommt Mississippi eine traurige Sonderrolle zu, denn der Magnolia-State ist
der extremste aller Staaten und das gilt natürlich auch für Natchez, einst seine erste
Hauptstadt und noch immer beherrscht von reaktionären Weißen, die einst als
Baumwollbarone großen Reichtum anhäuften.
Hier hat Albert Norris einen Musikalienladen, in dem der schwarze Musiker etwas tut, das
für die Weißen als Aufhetzung zur Rassenmischung als extrem strafwürdig
gilt: er gewährt gemischten Paaren heimlich die Gelegenheit zu Schäferstündchen im
Hinterzimmer. In diesem Staat, in dem Schwarze inoffiziell bis heute nicht
als vollwertige Menschen angesehen werden und wo die Lynchjustiz besonders heftig blühte,
sorgt üblicherweise der Ku-Klux-Klan für die Ahndung solcher Vergehen.
Als Norris 1968 jedoch auffliegt, schreiten die Doppeladler ein, so genannt
nach ihrem Kennzeichen, der 20 Dollar-Goldmünze. Für sie sind die Klans-Leute schlappe
Zirkusclowns, sie selbst dagegen treten heimlich-unheimlich als Aktionsteam mit extremer
Mordlust auf. So fällt Norris einem Weltkriegs-Flammenwerfer zum Opfer, doch auch einige
andere Schwarze verschwinden unter barbarischen Umständen von der Bildfläche. Darunter
die als Bürgerrechtler extremer Grausamkeit anheim fallenden Bürgerrechtler Luther Davis
und Jimmy Revels.
Jimmys bildschöne Schwester Viola erleidet in derselben Nacht eine Gruppenvergewaltigung
der Doppeladler und flüchtet halbtot ins ferne Chicago. Jetzt aber im Jahre 2005 kehrt
sie heim mit Krebs im Endstadium, um hier zu sterben. Und nun erhält Penn Cage einen
Anruf vom Staatsanwalt, dass sein Vater, der angesehene Arzt Tom Cage, Viola getötet oder
dabei geholfen habe. Damit setzt ein beispielloser Aufruhr ein, denn die noch immer
insgeheim virulenten Doppeladler unter ihnen Po-lizeichef Knox und der schon damals
als Finanzier allmächtige Brody Royal kennen nur eine Maxime für geflüchtete
Schwarze: wer zurückkehrt, ist des Todes.
Dr. Cage jedoch will sich aus einer alten Schuld heraus nicht verteidigen, denn Viola war
in den 60er Jahren nicht nur seine fähigste Krankenschwester sondern auch seine große
Liebe. Dennoch bricht ein irrsinniger Wirbel los und Bürgermeister Cage ist mittendrin,
als er selbst zugunsten seines Vaters recherchiert und dabei gerade den Autoritäten nicht
trauen kann. Diese schrecken auch in der Gegenwart vor keiner Niedertracht und Gewalttat
zurück und wenn sie in ihrem dumpfen Rassismus und Herrenmenschentum zur Tat schreiten,
genießen sie es, je schändlicher sie dabei vorgehen.
Doch sie wissen auch um die lauernde Gefahr der Aufdeckung ihrer alten Gräueltaten. Hatte
das FBI damals man denke an den realen, in dem Film Mississippi Burning
thematisierten Mord an drei Bürgerrechtlern im Neshoba County 1964! - nur wenig erreicht,
so sind es jetzt vor allem zwei Journalisten, die ihnen auf der Spur sind. Während Penn
Cage seine Verlobte Caitlin, eine Pulitzerpreis-gekrönte Journalistin zur Zurückhaltung
anhält, hat der Kleinstadtreporter Henry Sexton sogar lange untergetauchte Zeugen der
60er-Jahre-Massaker aufgetrieben und eine große Enthüllungsgeschichte fast fertig.
Nicht nur diese größte moralische Instanz des Romans geht in den atemlosen Wirren voller
Gemeinheit, Verrat und Grausamkeit fast unter und es heißt an einer Stelle: Dieser
Staat ist wirklich was Besonderes. Hier kommt es einem vor, als wäre noch 1964.
Entsprechend treibt das Geschehen mit atemberaubender Sogwirkung einem Finale zu, das an
Dramatik nicht zu überbieten ist.
Wenn der schier erschlagene Leser schließlich jedoch meint, dass Alles sei nur einem
wilden Autorenhirn entsprungen, liegt er falsch. Reale Grundlagen waren für Greg Iles
der übrigens selbst in Natchez lebt sehr ähnliche Ereignisse in Concordia,
Louisiana, und im ganze Südwesten Mississippis. Und mit dem nimmermüden Reporter Sexton
hat er dem realen Stanley Nelson vom Concordia Sentinel ein Denkmal gesetzt.
Zartbesaitete seien abschließend vor den sehr explizit geschilderten Gewaltszenen
gewarnt.
Fazit: ein grandioser Thriller mit brillanten Charakterzeichnungen und einem geradezu
monströsen Realismus.
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