DINAW MENGESTU: UNSERE
NAMEN
Als Isaac, der großgewachsene, gut aussehende Afrikaner in der Provinzstadt Laurel im
Mittleren Westen mit seinem Studentenvisum auftaucht, soll die junge Sozialarbeiterin
Helen ihm den American Way of Life näherbringen. Während sie sich schon recht bald in
ihn verliebt und sie tatsächlich eine Affäre miteinander beginnen, stellt sich eine
Frage immer intensiver; wer ist dieser Isaac, der um seine Vergangenheit ein solches
Geheimnis macht?
Das ist die 'Ausgangssituation für Dinaw Mengestus mittlerweile dritten Roman. Unter dem
Titel Unsere Namen widmet sich der in Äthiopien geborene und dann in den USA
aufgewachsene Autor erstmals unmittelbar auch Afrika selbst. Student Isaac kommt Anfang
der 70er Jahren in ein Amerika, wo er plötzlich als Schwarzer unter Weißen auffällt,
eine andere gesellschaftliche Stellung hat und seine Beziehung zu der weißen Helen noch
immer als Tabubruch gilt.
Dabei kommt er aus einem Afrika, das nach den vielen Freigaben in die Unabhängigkeit
durch die Kolonialmächte eine Welle der Aufbruchstimmung erlebte. Er, der Niemand aus
einer alten Familie in Äthiopien, gerät jedoch zum Studieren ausgerechnet nach Uganda,
wo Idi Amin sich als einer der ersten afrikanischen Diktatoren an die Macht geputscht hat.
Die heimliche und wahrhaft schillernde Hauptfigur ist hier jedoch der revolutionär
gesinnte Filou Isaac, sein engster Freund.
Dies ist der zweite, der afrikanische Erzählstrang, der allmählich das dunkle Geheimnis
enthüllt, das Isaac schwer bedrückt. Spröde bleibt er gegenüber Helen und sie tut sich
schwer damit, nach und nach in seine Vergangenheit vorzustoßen und das Verwirrspiel um
seine Person zu durchdringen. Zudem verschwindet er zeitweilig und verschweigt so gut wie
alles über seine Herkunft und seine Familie.
Wenn er jedoch in seinen Kapiteln von seiner Zeit in Uganda erzählt,
offenbart sich die Wahrheit in beklemmenden Bruchstücken aus dem schlimmen Wüten, als
Idi Amin seine Schreckensherrschaft mit unvorstellbarer Grausamkeit ausweitet. Jener enge
Freund und Filou aber ist längst zum rebellischen Gegenspieler geworden mit Milizen, die
Amins Schergen an Brutalität in nichts nachstehen.
Und hier eröffnet sich der entscheidende Aspekt in Vergangenheit und Gegenwart des
Afrikaners, der um seine kulturelle Identität in einem rassistischen Amerika ringt, in
dem er nicht einmal als Afroamerikaner gilt: jener Filou und Rebell in Kampala ist der
wahre Isaac. Und er war es, der dem namenlosen Äthiopier einen letzten großen
Freundschaftsdienst erwies, als er ihm mit seinen Papieren und damit einer hilfreichen
Identität die lebensrettende Flucht ermöglichte.
Dinaw Mengestu hat hier ein ebenso faszinierendes wie beklemmendes Doppelporträt vor
realem Hintergrund geschaffen. Als Sprachzauberer fesselt er gerade dort am meisten, wo er
Spektakuläres schildert und doch mit präzisen, sensiblen Sätzen auskommt. Der Autor
gilt als einer der vielversprechendsten neuen Stimmen Amerikas und er stellt es mit diesem
exzellent konzipierten Migrationsroman eindrucksvoll unter Beweis.
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