BENJAMIN MONFERAT: WELT
IN FLAMMEN
Den Simplon Orient Express hat es wirklich gegeben, er war die alternative Version des
legendären Orient-Express, bei dem nach dem Ersten Weltkrieg die Stationen in
Deutschland, Österreich und Ungarn gemieden wurden. Benjamin Monferat, nach
Verlagsangaben das Pseudonym eines deutschen Erfolgsautors, hat den letzten SOE vor
Frankreichs Niederlage gegen Hitlers Truppen zum Schauplatz eines mitreißenden
Eisenbahnthrillers gemacht.
Welt in Flammen heißt das üppige Opus und es beginnt nach einem blutigen
Auftakt in jenem Eisenbahnwagon, in dem 1918 von Wald von Compiègne die Niederlage des
Kaiserreichs besiegelt wurde, mit der Abfahrt des Expresszuges am 25. Mai 1940 um 20.47
Uhr, während die Wehrmacht bereits auf Paris zumarschiert. An Bord befindet sich eine
ungemein illustre Gesellschaft von Passagieren, von denen jeder sein sehr eigenes
intensives Interesse hat, Istanbul oder eine der Stationen davor zu erreichen.
Zu nennen wären zum Beispiel der aus dem Exil heimkehrende König Carol von Carpathien
und seine im letzten Moment in den Zug gelangte frühere Geliebte, die deutsche Jüdin
Eva. Mitglieder der Romanows, der russischen Zarenfamilie, werden von Agenten des
Sowjetregimes verfolgt, während der ehemalige Hollywood-Star Betty Marshall ebenso cool
wie abenteuerlustig ist und für viel Charme und Chuzpe sorgt. Der texanische Öl-Baron
Richards mit seiner blutjungen Gattin bringt amerikanisches Flair mit ein, wogegen Pedro
de la Rosa als hoher Abgesandter des Heiligen Stuhls dem bunten Personenetableau wiederum
einen anderen Aspekt beifügt.
Doch es ist ja das erste Kriegsjahr und deshalb sind die schillerndsten und umtriebigsten
Passagiere die teils auffallend unauffälligen Herren von verschiedenen Geheimdiensten.
Und schließlich wird in Belgrad noch ein Salonwagen der Deutschen Reichsbahn angehängt
mit einem hohen Herrn in geheimer Mission: dem (historisch echten) Botschafter Franz von
Papen. Was aber keiner der Reisen mitbekommen hat, ist der im letzten Moment angekoppelte
ganz besondere Wagon jener eingangs erwähnte Wagon de l'Armistice aus
Compiègne, der als Objekt des französischen Nationalstolzes vor den Nazis gerettet
werden soll.
Wen das Alles an berühmte Filme wie Der Zug (1964, John Frankenheimer) und
Mord im Orientexpress (1974, Sidney Lumet nach dem Roman von Agatha Christie)
erinnert von der Melange aus Getriebenen, Agenten, Geheimnisträgern und
Abenteuerlustigen her stimmt das ganz und gar, bei der Handlung aber geht es noch weit
bunter, rasanter und actionreicher zu. Gut 90 Prozent des abwechslungsreichen Spektakel
spielen in dem durch unterschiedliche Länder mit sehr verschiedenen politischen
Verhältnissen dahindonnernden Expresszuges und der Autor hat hierfür nicht nur
ausgezeichnet recherchiert, er hat ihn zu einer detailgetreu beschriebenen faszinierenden
Hauptperson gemacht.
Rund 56 Stunden dauert die verwegene Jagd durch ein Europa, das es so bald nicht mehr
geben wird, und wenn der SOE schließlich als lodernde Fackel durch die Nacht rast, wird
ein dramatisches Finale eingeläutet, das nur noch einen Wunsch offen lässt: den nach
einer möglichst baldigen monumentalen Verfilmung. Fazit: das mag keine hohe Literatur
sein, doch als atemberaubender Schmöker vor realem historischen Hintergrund bietet
Welt in Flammen ein großartiges Lesevergnügen.
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