URS FAES: SOMMER IN
BRANDENBURG
Einen Liebesroman hat der Schweizer Erfolgsautor Urs Faes mit Sommer in
Brandenburg geschrieben. Das ist jedoch keine Schmonzette, vielmehr gab es Lissy und
Ron wirklich und ihre kurze Geschichte ohne Happyend spielte sich vor sehr realem
Hintergrund ab.
Ronald Behrend, 20, ist Jude, man schreiobt das Jahr 1938 und er befindet sich zu einer
sehr speziellen Ausbildung auf dem Gutshof des Jagdschlosses Ahrensdorf. Eine Idylle 30
Kilometer südlich von Berlin, wo das Nazi-Regime die Drangsale gegen alle Juden stetig
verschärft. Hier jedoch absolvieren Ron und einige Dutzend andere Jugendliche die
Hachschara, eine Bewegung, die auf ein Leben in einem der noch jungen Kibuzzim
in Palästina vorbereitet.
Ein solches Landwerk hat es tatsächlich von 1936 bis 1941 gegeben. Hierher kamen zumeist
kaum praktizierende Juden, die für das Zertifikat zur Ausreise ins Gelobte Land hart
arbeiten mussten. Hebräisch, Bibel- und Landeskunde und natürlich die Geschichte des
jüdischen Volkes wurden gelehrt. Wirkliche Strapaze für die aus dem Bürgertum
stammenden Jugendlichen bedeutete vor allem der praktische Unterricht in
landwirtschaftlicher Arbeit Palästina, das noch nicht existierende Israel, war ein
karges, unwirtliches Wüstenland.
Ron hatte sich der zionistischen Bewegung Makkabi Hatzair angeschlossen und
das hatte auch Elisabeth Lissy Harb getan, die nun aus Wien kommend zu ihnen
stößt. Sie fällt Ron sofort durch ihre hinreißendes Lachen auf und bald schon
entflammt eine große Liebe zwischen ihnen, die die Hoffnung auf den Aufbruch in ein neues
Leben noch zusätzlich befeuert. Und es gab diese Beiden und ihre innige Liebe im Sommer
1938 wirklich, denn davon zeugt nicht nur jenes Foto, das für Urs Faes der Auslöser für
dieses Buch war, dessen Cover es ziert.
Als er das Bild entdeckte und schließlich auch erstmals von der Existenz solcher
Auswanderungslehrgüter erfuhr, schrieb Faes nicht nur diese bittersüße Liebesgeschichte
von Ron und Lissy nach. Es gelang ihm auch, einen der noch sieben lebenden
Ahrensdorf-Absolventen zu treffen. Dieser Efri Jochmann war damals als 13-Jähriger auf
das Gut gekommen und wusste einiges zu berichten. Von immer größeren Anfeindungen durch
die Nazis um das Gut herum bis hin zu Überfällen und immer neuen Schikanen.
In Zwischenkapiteln fügt Faes die Schilderungen seiner Recherchen in die Romanze ein, was
zunächst irritierend erscheint, erhöht jedoch zusätzlich die Spannung. Und man fiebert
leider umsonst um ein Happyend mit, denn nur Lissy gelangte schließlich auf die Liste
jener, die Nazi-Deutschland für die Alija, die Besiedlung Palästinas, verlassen durften.
Über ihr weiteres Schicksal weiß man wenig, Ron aber überlebte zwar Auschwitz, kam
jedoch auf den Todesmärchen gegen Kriegsende um.
Urs Faes hat aus dieser wahren Begebenheit mit sensibler und zurückgenommener Sprache ein
zutiefst bewegendes Buch gemacht und eröffnet einen Blick auf ein kaum bekanntes,
erstaunliches Kapitel der Schoa. Fazit: ein großartiges und zugleich sehr wertvolles
Stück Erinnerungsliteratur.
|