JESS WALTER: DIE
FINANZIELLEN ABENTEUER DES TALENTIERTEN POETEN
Matt Prior ist eine Art US-Version eines Otto Normalverbrauchers der Mittelschicht.
Verheiratet mit Lisa, zwei Kinder auf der Privatschule, Eigenheim und gut bezahlter Job
als Wirtschaftsjournalist. Alles normal einschließlich des geleasten Autos und der nicht
unerheblichen Schulden.
Wie Matt samt American Dream dennoch und ohne gravierende eigene Fehler vor
die Wand fährt, daraus hat Erfolgsautor Jess Walter einen recht schrägen und oft auch
gnadenlos satirischen Roman unter dem kauzigen Titel Die finanziellen Abenteuer des
talentierten Poeten gemacht. Der Mittvierziger Matt rauscht voll in die Gemeinheiten
des Kapitalismus, als 2008 die Finanzkrise ausbricht. Seine Altersvorsorge ist auf
Aktiengeschäften aufgebaut, man lebt auf Kreditkarten und noch schlimmer: er muss
umgehend 30.000 Dollar auftreiben.
Ein Abgrund tut sich auf, indem er außer dem Haus womöglich sogar die ganze Familie
verlieren könnte, zumal es mit Lisa ohnehin irgendwie nicht mehr recht läuft. Das, was
man in den USA seit jeher ganz normale Schulden nennt, muss er nun irgendwie
zumindest erstmal überbrücken. Egal, wie abwegig das sein mag, es soll ja nur über die
momentane Krise hinweghelfen so die hehre Absicht, die der Ich-Erzähler
verkündet. Dabei erweist sich sein Versuch eines ziemlich bescheuerten
Finanzgeschäftsmodells als voll daneben und er kann die Bosheit des kapitalistischen
Systems kaum fassen, jetzt, da er selbst auf der falschen Seite steht.
Händeringend sucht er nach einer Idee und muss sich nebenher auch noch um den dementen
Vater kümmern, der sich soeben von einer Nachtklubsängerin und deren Lover hat abzocken
lassen. Wie er nun in einer der vielen schlaflosen Nächte zu seiner Tankstelle fährt, um
Vergessenes einzukaufen, und auf die vermeintliche Rettung von all seinen Problemen
stößt, das ist so herrlich absurd, dass man es glatt für bare Münze nehmen möchte.
Er begegnet dort Jamie und Skeet, zwei Jugendlichen, die ihn an ihrem Joint ziehen lassen.
Er erfährt von ihnen nicht nur, was sich seit seinen Studententagen auf dem Gebiet alles
getan hat: wäre das nicht das rettende Geschäftsbetätigungsfeld?! Mit seinen letzten
paar tausend Dollar Stoff kaufen und mit Gewinn im Freundeskreis verhökern mehr
aber sei hier nicht verraten vom durchgeknallten Geschehen, das mit Galgenhumor und manch
grimmigem Sarkasmus ausgebreitet wird.
Das mit dem talentierten Poeten im Titel sollte man nicht zu ernst sondern als schrullige
Beigabe nehmen, denn auch damit ist Matt ja nicht umsonst gescheitert. Ansonsten aber
spießt dieser vergnügliche Roman auf intelligente Weise die Verrücktheiten des
Kapitalismus in seinen realen Wucherungen auf.
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