OCTAVIO PAZ: "DAS FÜNFARMIGE DELTA" Der Gedichtband "Das fünfarmige Delta" von
Octavio Paz (1914-1998) gehört gewiss zu den schönsten Werken, mit denen der
Suhrkamp-Verlag im Jahr 2000 seinen 50. Geburtstag feierte. In einem Vorwort von 1994
erläutert der mexikanische Literaturnobelpreisträger Titel und Beweggründe der von ihm
so gestalteten und erstmals in deutscher Fassung vorliegenden Zusammenstellung. Dieser sein letzter Gedichtband darf zu Recht als das
lyrische Vermächtnis dieses Meisters des hymnischen Ge= dichtes zählen, der würdig in
einer Reihe mit Walt Whitman, Ezra Pound und Pablo Neruda steht. Vier der fünf
Langgedichte wurden 1980 schon einmal unter dem Titel "Suche nach einer Mitte"
veröffentlicht: "Sonnenstein", "Weiß", "Nachtstück von San
Idelfonso" und "Noch einmal durchwacht". Zum 80. Geburtstag aber beschloss
der Dichter, die nun vorgesehene Quintessenz seiner Poesie auf die für ihn bedeutsame,
von Alters her magische Zahl fünf mit dem Hymnus "Charta des Glau= bens"
auszuweiten. Es ist das jüngste der Langgedichte und Paz
bezeichnete es als das Zentrum oder die fünfte Sonne des Ganzen. Und es schlägt einen
weiten Bogen von der Unwirklichkeit des Geschauten, von der er 1966 sagte "Die
Transparenz ist alles was bleibt..." bis zum Finale dieses letzten großen Gesangs:
"Wir sind verurteilt, von dem Garten Abschied zu nehmen: vor uns liegt die
Welt." Und wie stets ist auch dieses Werk mehr als ein Fluss von Worten, es ist
Körper und Raum und der Dichter selbst ist "der Schatten, den meine Worte
werfen" so sein eigenes Zitat von 1974. Doch der Lyriker und Essayist hat dem erlesenen
Spätwerk nicht nur ein großartiges Vorwort und Erläuterungen zu den Werken und ihren
möglichen Leseweisen gegönnt. Er hat den langen, fließenden Gedichten als Momente der
Zeitlosigkeit Kurzgedichte beigefügt, zehn "winzige Irrlichter" der Dichtkunst,
jeweils zwei gewissermaßen als Einfassung. "Ohne ein Wort zu sagen, verdunkelt meine Stimme
eine Ahnung von Sprache" heißt es an einer Stelle und tatsächlich bleibt die
grandiose Sprache des Dichters in den kongenialen Übertragungen durch Fritz Vogelsang und
Rudolf Wittkopf erhalten, denen Paz selbst bestätigt hat, dass sie ebenso genau wie
poetisch erfolgt seien. Und der Leser mag selbst vergleichen zwischen Original und
Übersetzung und er wird die Schönheit beider bewundern wie die letzte Zeile des letzten
Gedichtes: "Haus waren wir meine Worte, mein Grab die Luft" (aus 'Epitaph auf
keinem Stein'). |
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# Octavio Paz: Das fünfarmige Delta (Spanisch mit
deutscher Übertragung von Fritz Vogelsang und Rudolf Wittkopf); 217 Seiten; Suhrkamp
Verlag Frankfurt; 48,00 DM (öS 350,-/sFr 44,50/ 24,54) WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) |
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