- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Non-Fiction)
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HAPE KERKELING: „GEBT MIR ETWAS ZEIT“
Mit seinen Kindheitserinnerungen „Der Junge muss an die frische Luft“ erzielte Hape Kerkeling einen großen Erfolg. Nun lässt der kauzige Humorist und Schauspieler eine Art Fortsetzung folgen, die allerdings in stärkerem Maße keine Biografie im eigentlichen Sinne ist.
„Gebt mir etwas Zeit“ lautet der Titel und diese Zeit gab ihm unfreiwillig die Corona-Pandemie. Die er aber um so ausgiebiger für sein liebstes Hobby nutzte: die Ahnenforschung. Am Anfang stand der DNA-Test und am Ende eine wahre Sensation, denn der Comedian, der einst mit der Fernsehkomödie „Willi und die Winzors“ Millionen Zuschauer zum Wiehern brachte – hat selbst blaues Blut in den Adern!
Und nicht irgendwelches sondern direkt königliches. Demnach war der britische König Edward VII. (1841-1910) der Erzeuger seiner geliebten Ruhrgebiets-Großmutter Bertha. Der Monarch weilte 1903 zur Kur auf dem Kontinent und wurde dabei offenbar sehr bald „tätig“. Kerkeling staunt selbst über dieses von der Oma so streng gehütete Geheimnis, macht aber auch seine Scherze über die nicht sehr wahrscheinliche Thronfolge.
Ansonsten schweifen seine Forschungen durch ganz Europa, finden ihre interessant ausgeschmückten Höhepunkt jedoch in den Niederlanden im 17. Jahrhundert, dem sogenannten „Goldenen Zeitalter“. Doch dort schreibt er nicht nur über mutmaßliche Vorfahren sondern auch über seine erste große Liebe.
Als junger Mann fuhr er häufig nach Amsterdam, wo man in den 80er Jahren wesentlich liberaler mit der Homosexualität umging. Dort traf er auf den schönen Duncan und hatte eine sehr enge Beziehung mit ihm. Es war jedoch auch die Ära, als AIDS als tödliche Krankheit um den Globus lief. Erst war es nur die Angst, die die Liebe belastete, und schließlich hatte sich Duncan tatsächlich infiziert.
Es war nach dem Suizid seiner depressiven Mutter das zweite große Drama in Kerkelings noch jungen Leben. Das er allerdings wenigstens physisch unbeschadet überstand. Im Übrigen widmet er sich auch hier wieder mit interessanten Einblicken in seine frühe Zeit als Unterhaltungskünstler mit bald immer steilerer Karriere.
Das Alles ist wie stets bei dem längst versierten Buchautor witzig und sehr unterhaltsam geschrieben. Wer dabei einkalkuliert, dass der blassblaublütige Charmeur schon immer ein kleiner Narziss war, findet hier ein sympathisches Lesevergnügen.
# Hape Kerkeling: Gebt mir etwas Zeit; 368 Seiten; Piper Verlag, München; € 24
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)