- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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JAMES KESTREL: „BIS IN ALLE ENDLICHKEIT“
James Kestrels „Fünf Winter“ faszinierte als Thriller vor dem historischen Hintergrund des Zweiten Weltkriegs im Pazifikraum so sehr, dass er dafür vielfach preisgekrönt wurde. Als Nachfolger liegt auf Deutsch nun „Bis in alle Endlichkeit“ vor, der allerdings im Original vorher erschien.
Und er spielt in der Gegenwart, allerdings glänzt auch dieser Thriller im Stil des 'Krimi noir' der 40er Jahre. Wie er auch in Kalifornien spielt und mit Leland Crowe einen Helden in den Mittelpunkt stellt, der einiges von der Vita des Autors widerspiegelt.
Wie der arbeitet er als privater Ermittler für einen Strafverteidiger, nur dass Kestrel seine Anwaltszulassung bis heute nicht verloren hat. Crowe eröffnet die Geschichte als Ich-Erzähler mit dem einem ersten Satz wie von Dashiel Hammett: „Als ich Claire Gravesend das erste Mal sah, war sie schon tot.“
Die zarte blonde Schönheit liegt wie drapiert auf dem eingedrückten Dach eines RollsRoyce, offenbar vom Dach des 14-stöckigen Hauses gesprungen, vor dem der Luxuswagen steht. Crowe macht Fotos von dem so gar nicht stimmigen Bild, denn der Wagen passt ebenso wenig in dieses Nachtjackenviertel von San Francisco wie die elegant gekleidete Tote.
Er verhökert solche Fotos als Zubrot an Zeitungen, hat ansonsten jedoch gerade eine nicht so ganz rechtskonforme Ermittlung für den gerissenen Strafverteidiger Gardner abgeschlossen. Als der ihm einen neuen Auftrag zuschanzt, warnt er Crowe vor der Auftraggeberin. Diese Olivia Gravesend sei sehr reich, sehr rabiat und er dürfe ihr niemals trauen.
Und die colle Dame ist die Mutter der Toten auf dem RollsRoyce. Sie glaubt den polizeilichen Einschätzungen vom Suizid kein bisschen und Crowe soll die realen Vorgänge herausfinden. Vor einigen Monaten hatte die junge Millionenerbin den Kontakt zur Mutter quasi eingestellt und zuletzt in Boston studiert. Als Crowe zunächst dort recherchiert, versucht jemand, ihn umzubringen. Was für den Angreifer tödlich endet.
Ebenso packend wie raubeinig aber bleiben auch die weiteren Ermittlungen, zumal Crowe keine Scheu vor Graubereichen hat. Dann erlebt er bei der Untersuchung der Wohnung der Toten in San Francisco eine dicke Überraschung: entgegen tritt ihm das völlige Ebenbild von Claire Gravesend. Eine Doppelgängerin? Oder etwa sogar die echte?
Es bleibt hochspannend mit rasanten Überraschungen und Crowe scheint mächtigen Leuten in einer spektakulären Affäre auf die Füße zu treten. Mitreißend sind dabei die interessanten Charaktere und die knorrigen Dialoge mit sarkastischem Biss und hoher Schlagfertigkeit.
Mehr darf einfach nicht verraten werden von diesem hochklassigen Krimi der rauen Art, der im Übrigen absolut filmreif ist und am Schluss darauf hoffen lässt, dass Leland Crowe erneut verwickelte Fälle löst.
# James Kestrel: Bis in alle Endlichkeit (aus dem Amerikanischen von Stefan Lux); 431 Seiten; Suhrkamp Verlag, Berlin; € 20
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)