- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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EMILY GUNNIS: „DIE VERGESSENEN KINDER“
Joanne Hamilton ist noch ganz frisch bei der Sussex Police, als sie im Dezember 1975 zu einer häuslichen Auseinandersetzung gerufen wird. Ohne auf die angeforderte Verstärkung zu warten, schreitet sie ein. Durch ein Missgeschick entstehen daraus jedoch fatale Folgen.
Damit beginnt der neue Roman der englischen Erfolgsautorin Emily Gunnis. Der Titel lautet „Die vergessenen Kinder“ und eben deren Schicksale sind der hochspannende rote faden durch das gesamt Geschehen. Durch ihre Mitschuld hat Joanne einen Wohnungsbrand verursacht, in dem das streitende Ehepaar umkommt.
Mangels anderer Möglichkeiten muss Joanne die beiden kleinen Töchter Daisy und Holly in das Waisenhaus Morgate bringen. Sie ahnt nicht, wie übel und äußerst lieblos diese finstere Verwahranstalt ist. Doch niemand will wissen,, wie schlecht die Kinder dort versorgt und behandelt werden.
Daisy hat allerdings das große Glück, dass sie bald adoptiert wird, Holly dagegen bleibt zurück. So einsam, dass sie zehn Jahre später als Teenager auf das Liebeswerben eines jungen Mannes nur zu begierig eingeht. Undbald ist sie spurlos verschwunden.
Etwa zur selben zeit wird Gemma am Fuße der nahen Klippen gefunden, ein eenager. Offenbar ein Selbstmord und da auch sie aus dem Elendsort Morgate stammt, kann es ja nur Suizid gewesen sein und wird entsprechend schnell abgehakt.
Dann aber springt das Geschehen ins Jahr 2015 und Joanne, die inzwischen bis zur Superintendent aufgestiegen ist, steht wenige Tage vor ihrer Pensionierung. So erfolgreich sie auch war, das Grauen des Brandunglücks von 1975 hat sie nie vergessen können. Und jetzt werden Überreste einer Frauenleiche gefunden – etwa die der vermissten Holly?!
Natürlich will Joanne das noch ganz zum Schluss aufklären. Um so unwilliger reagiert sie auf die Versuche ihres Vorgesetzten, sie aus dem Fall herauszuhalten. Und während diese drei Zeitebene sich abwechseln und erst langsam einander annähern, eröffnet sich noch ein vierter Handlungsstrang aus dem Jahr 1944.
Im Mittelpunkt steht hier Olive, die Mutter Joannes, die zu jener Zeit als Meldefahrerin in Bletchley Park diente. In dieser Zeit in der in der legendären Entschlüsselungszentrale des britischen Geheimdienstes verliebte sie sich in einen kanadischen Soldaten, der sie jedoch aus triftigen Gründen bald fallen ließ.
Doch alles in diesem schwer zu durchschauenden Handlungsgefüge ist von Bedeutung und allmählich entsteht ein komplexes aber ganz und gar schlüssiges Bild. Mit packenden Überraschungen und – es gibt tatsächlich einen Mörder. So treibt der bis zuletzt fesselnde Roman auf ein dramatisches Finale zu, das auch dunkle Geheimnisse an den Tag bringt.
Das Alles ist mit starken Charakteren und viel Gefühl geschrieben und bietet – vor allem weiblichen Lesern – ein mitreißendes Stück Spannungsliteratur.
# Emily Gunnis: Die vergessenen Kinder (aus dem Englischen von Ute Brammerz und Carola Fischer); 445 Seiten; Heyne Verlag, München; € 22
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)