- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
- Zugriffe: 82


MARIO VARGAS LLOSA: „DIE GROßE VERSUCHUNG“
Das Schreiben eines Sachbuchs, die Recherchen dazu sowie die musikalische Tradition seines Heimatlandes Peru stellt Mario Vargas Llosa in den Mittelpunkt seines mittlerweile 20. Romans.
Wie stets hat allerdings auch die Politik ihren Part. Dies hier um so mehr, da „Die große Versuchung“ in der Zeit um 1990 spielt, als das Land vom Terror des „Sendero Luminoso“ (Leuchtender Weg) heimgesucht wurde, ausgeübt von einer barbarischen maoistischen Guerilla.
Im Mittelpunkt steht allerdings der unpolitische Tono Azpilcueta, Musikjournalist und als angehender Wissenschaftler ausgebootet. Seine besondere Hingabe gehört der kreolischen Volksmusik, dem sogenannten peruanischen Walzer. Doch der inzwischen 50-Jährige lebt nicht nur in einem Armenviertel der Hauptstadt Lima, seine Arbeit als Musikkritiker wirft so wenig ab, dass er oft nicht mal Frau und Kinder ernähren kann.
Dann aber scheint das Glück bei ihm anzuklopfen, als er zum Konzert eines ihm völlig unbekannten Musikers eingeladen wird. Er ist überwältigt von diesem unfassbaren Lalo Molfino, der als eine Art Wunderkind entdeckt wurde. Für Azpilcueta ist er ganz einfach der beste Gitarrenspieler der Welt und er will unbedingt mehr über ihn wissen und schreiben.
Bevor er Lalo jedoch ausfindig machen kann, ist der an der Schwindsucht verstorben und anonym begraben worden. Und so, wie der verhinderte Musikwissenschaftler überzeugt davon ist, dass der peruanische Walzer der große identitätsstiftende Weg zur Vermittlung in diesem zerrissenen Land sein kann, so wird er geradezu besessen davon, Lalo Molfino zur Lichtgestalt zu stilisieren.
Azpilcueto reist durch das ganze große Land auf den Spuren Lalos und tatsächlich erfährt er einiges. Und er formt daraus eine hinreißende Biografie, der er wiederum mit seinen Vorstellungen von der einheimischen Musik und deren Bedeutung für mehr als nur die Kultur des Landes verknüpft.
Und das Buch wird sogar ebenso ein Erfolg wie auch die zweite Auflage – auch wenn manche Leser sich eher damit vergnügen als die heren Ausführungen richtig ernst zu nehmen. Doch Tono will immer mehr, erweitert das Buch so maßlos, dass es in der dritten Auflage zum Ruin des Verlegers führt.
Er selbst aber, der ganz nebenher – hier aber mit poetisch verrückter Intensität – heimlich die (echte) große Sängerin Cecilia Barraza liebt, wird über seinen Rihm und darüber, wie er zunehmend zu einer Art Don Quichotte der Musik mutiert, schlicht irre. Und so endet dieser wie immer intensiv, kraftvoll in den Farben und souverän erzählte Roman so melancholisch, wie er bereits begonnen hat.
„Die große Versuchung“ ist ein sehr peruanischer Roman, der fast ein wenig auf der Welt gefallen wirkt. Die Meisterschaft von Mario Vargas Llosa jedoch ist ungebrochen, zugleich soll es der Abgesang des 88-Jährigen sein – so sagt er es jedenfalls ganz persönlich im Nachwort# Mario Vargas Llosa: Die große Versuchung (aus dem Spanischen von Thomas Brovot); 302 Seiten; Suhrkamp Verlag, Berlin; € 26
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)